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Pflege

Untersuchung: Heimplätze deutlich teurer




Pflege im Heim
epd-bild/Tim Wegner
Eine neue Untersuchung des Verbandes der Ersatzkassen zeigt: Pflegeplätze in Heimen sind deutlich teurer geworden. Verbände dringen auf ein Umsteuern in der Pflegeversicherung.

Berlin (epd). Pflegeplätze in Heimen sind einer Auswertung des Verbands der Ersatzkassen (vdek) zufolge in den vergangenen zwölf Monaten deutlich teurer geworden. Ein stationärer Platz im ersten Jahr zum Stichtag 1. Juli 2024 koste im Schnitt 2.871 Euro an Eigenanteilen, teilte die vdek am 10. Juli in Berlin mit. Das seien 211 Euro mehr als ein Jahr zuvor.

Ab dem zweiten Jahr kostet den Angaben zufolge ein stationärer Pflegeplatz die Bewohnerinnen und Bewohner aktuell durchschnittlich 2.620 Euro, ein Plus von 233 Euro im Vergleich zum Stichtag 1. Juli 2023. Im dritten Jahr müssen demnach 2.284 Euro und damit 169 Euro mehr als im Vorjahr zugezahlt werden. Ab dem vierten Jahr müssen Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen im Schnitt 1.865 Euro an Eigenanteil leisten, ein Plus von 91 Euro.

Eigenanteile unterscheiden sich

Der Eigenanteil in Pflegeheimen setzt sich aus Kosten für Unterkunft und Verpflegung, Investitionen sowie dem einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (EEE) zusammen, der vor allem Kosten für das Pflegepersonal umfasst. Die Höhe des EEE variiert von Heim zu Heim. Für den ihn gibt es abgestufte Zuschüsse, daher sinkt der Eigenanteil mit zunehmender Aufenthaltsdauer. Ab dem vierten Aufenthaltsjahr sinkt er nicht mehr.

Die Eigenanteile unterschieden sich teilweise nach Bundesländern stark. Während ein Pflegeheimplatz im ersten Jahr inklusive Zuschüsse in Nordrhein-Westfalen mit 3.200 Euro monatlich am teuersten ist, kostet er in Sachsen-Anhalt mit 2.373 Euro am wenigsten. Baden-Württemberg, Bremen und das Saarland gehören darüber hinaus zu den Bundesländern am oberen Ende der Preisskala, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Niedersachsen zum unteren.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plant unterdessen weitere Reformen. Menschen sollten so lange wie möglich zu Hause versorgt werden und trotzdem währenddessen Leistungen der stationären Pflege erhalten, sagte Lauterbach dem ZDF. Er plane daher eine Kombination aus ambulanter und stationärer Pflege.

Verbände wollen umfassende Reform

Die Geschäftsbereichsleiterin Verbraucherpolitik beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, Michaela Schröder, forderte eine umfassende Reform der Pflegeversicherung. „Finanzierungslücken der sozialen Pflegeversicherung zu stopfen, ist aber noch keine Reform“, sagte Schröder. Der Präsident des Arbeitgeberverbands Pflege, Thomas Greiner, kritisierte, Pflegeplätze würden zunehmend zum Luxusgut. Pflegekräfte müssten viel Zeit für Papierkram und Bürokratie aufwenden, dies verteure ihre Arbeitskraft und damit die Pflegeplätze.

Maria Loheide, Sozialvorständin der Diakonie Deutschland, sagte im Deutschlandfunki, durch hohe Eigenanteile seien mehr Menschen in Pflegeeinrichtungen angewiesen auf Hilfe zur Pflege. „Das belastet zum einen die Kommunen und zum anderen ist es für viele alte Menschen undenkbar, jetzt im hohen Alter, wenn sie pflegebedürftig sind, nochmal in die Sozialhilfe zu fallen.“

Loheide rechnet mit weiter steigenden Eigenanteilen. Es werde schwierig sein für Menschen, sich überhaupt noch einen Pflegeplatz leisten zu können. Das Problem werde dann voraussichtlich auf die Familien zurückfallen, „die jetzt schon zum großen Teil Pflegeaufgaben übernehmen, die aber auch zunehmend überlastet sind“. Bereits jetzt stiegen Angehörige und andere nahestehende Menschen aus der Arbeit aus, weil sie sich um Pflegebedürftige kümmern. „Diese Spirale wird sich weiter drehen. Das können wir uns angesichts des ganzen Fach- und Arbeitskräftemangels überhaupt gar nicht leisten“, unterstrich die Diakonie-Vorständin.

Auch Loheide sprach sich für eine Pflegereform aus. Bislang würden beispielsweise die Ausbildung von Pflegekräften oder die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige aus der Pflegeversicherung finanziert. Beides müsste aber aus Steuermitteln finanziert werden. Die Pflegebedürftigen sollten einen fest kalkulierbaren Eigenanteil zahlen, aber nicht mehr das Risiko der Steigerung tragen.

Stärkere Steuerfinanzierung

Der niedersächsische Diakonie-Chef Hans-Joachim Lenke argumentierte dafür, die Pflegeversicherung stärker über Steuern zu finanzieren. „Es braucht mehr Steuergeld im System“, sagte Lenke dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Ich weiß, das hört die Politik nicht gerne, aber ich glaube, dass es nicht anders gehen wird.“ Denn sonst werde die Pflege in Zukunft von den Pflegebedürftigen kaum noch zu bezahlen sein: „Wir sind an einem Kipp-Punkt angekommen.“

Schon jetzt seien die Eigenanteile in der Pflege für viele Menschen „im Grunde fast unfinanzierbar“, sagte der Theologe und Sozialexperte: „Wir wissen aber aus unseren diakonischen Einrichtungen, dass die Statistik hinterherhinkt. Wir bewegen uns in Niedersachsen bei unseren Einrichtungen in der Zwischenzeit schon in den Bereichen von 3.500 bis 3.800 Euro.“

Ihm sei klar, dass es auch in anderen wichtigen gesellschaftlichen Bereichen einen hohen Investitionsbedarf gebe, sagte Lenke. Deshalb halte er die Spardiskussion mancher Politiker für falsch. „Wir müssen auf der Haben-Seite mehr Einnahmen generieren, zum Beispiel über eine Erhöhung bei der Vermögens- oder Erbschaftssteuer“, forderte er.

Sockel-Spitze-Tausch gefordert

Auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, drang auf eine Deckelung der Eigenanteile für die Pflege. Die Zahlen des vdek belegten, „dass die nach Verweildauer gestaffelten Zuschüsse die Kostenexplosion für Pflegeheimbewohner nicht wirksam begrenzen können“, sagte Brysch dem epd. Steigende Löhne und allgemeine Preisanstiege führten zu schnell wachsenden Eigenanteilen. Eine Pflegereform müsse die Festbeträge für die Pflegeversicherungen abschaffen und die Eigenanteile deckeln.

Derzeit zahlen Pflegekassen nur einen festen Sockelbetrag für die Pflege, Pflegebedürftige den Rest als Eigenanteil. Das führt dazu, dass sie Preissteigerungen alleine tragen müssen. Bei einem Sockel-Spitzen-Tausch, wie von Brysch und Loheide gefordert, wäre es umgekehrt. Der Patientenschützer fügte hinzu, dass die Kostenlawine auch die ambulante Pflege erfasse. „Für die drei Millionen allein von Angehörigen versorgten Pflegebedürftigen muss das Pflegegeld um jeweils 300 Euro erhöht und jährlich dynamisiert werden“, sagte er. Auch die Bundesländer seien in der Pflicht. Sie müssten Ausbildungs- und Investitionskosten übernehmen. Betroffene könnten so im Schnitt jährlich um 7.500 Euro entlastet werden.

Nils Sandrisser