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Pflege

Krankenkassen wünschen sich Enquetekommission für Pflegereform




Sleep-In-Protest gegen den Pflegenotstand 2021 in Berlin
epd-bild/Jürgen Blume
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen dringt auf einen grundlegenden Umbau der Pflegeversicherung. Und wirbt für eine Enquetekommission Pflege. Das unterstützen auch mehrere Sozialverbände und Träger.

Osnabrück, Potsdam (epd). Die Forderung der GKV auf Einrichtung einer Enquetekommission zur Pflegereform stößt auf viel Zustimmung. „Wenn die Pflegeversicherung auch in den Jahren 2025 bis 2040 funktionieren soll, muss das System jetzt reformiert werden“, sagte der Vize-Vorstand des GKV-Spitzenverbandes, Gernot Kiefer, der am 12. Februar erschienenen „Osnabrücker Zeitung“. Er forderte die Einsetzung einer Enquete-Kommission durch den Bundestag, in der alle relevanten Gruppen vertreten sind. Zustimmung kam aus dem Sozialministerium Brandenburg.

Kiefer nannte als Teilnehmer Parteien, Arbeitgeberverbände, Wissenschaftler, Pflegeverbände, Angehörige und Gewerkschaften. „Alle müssen an einen Tisch, um ein tragfähiges Konzept für die Zukunft zu entwickeln“, sagte er.

„Grauenhafte Zwickmühle“

Er sprach von einer „grauenhaften Zwickmühle“: Einerseits würden die Beiträge erhöht, und andererseits müssten die Pflegebedürftigen trotzdem immer mehr Geld aus eigener Tasche bezahlen. „Die politischen Reaktionen sind immer nur kurzfristiger Art. Aber das System wackelt insgesamt“, warnte er. Die Zeit dränge, „wir stehen schon für die Jahre 2025 und 2026 vor großen Problemen“.

Aus Sicht des Arbeitgeberverbands Pflege (AGVP) ist die Forderung in Ordnung, wichtiger sei aber ein Notfallplan, damit nicht noch mehr Heime in Insolvenz gehen. Präsident Thomas Greiner: „Eine Enquetekommission kann man machen, die Altenpflege braucht eine Generalüberholung. Aber jetzt ist ein Notfallprogramm erforderlich, damit nicht noch mehr Pflegeheime abschmieren und immer weniger Heimplätze für Pflegebedürftige zur Verfügung stehen.“

Mehr als Finanzfragen klären

Thomas Knieling, Bundesgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB), sagte, die Herausforderungen gingen weit über die Frage nach einer nachhaltigen Finanzierung der Pflegeversicherung hinaus. „Denn die beste Finanzierung hilft nichts, wenn vor Ort keine Pflegeangebote zur Verfügung stehen. Es braucht eine grundlegende Strukturreform der Pflege.“ Eine breite und ergebnisorientierte Diskussion in einer Enquetekommission über die zentralen Herausforderungen sei überfällig. „Dabei müssen neben der Finanzierung der Pflegeversicherung vor allem auch die Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen für Pflegeunternehmen und ein ernsthafter Bürokratieabbau auf allen Ebenen auf der Tagesordnung stehen.“

Ähnlich äußerte sich auch die Evangelische Heimstiftung. Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider sagte, jetzt räche sich, dass die grundlegende Struktur- und Finanzreform politisch versäumt wurde. „Dabei fehlt es nicht an guten Lösungen, die unter anderem von der Initiative Pro-Pflegereform mit Professor Heinz Rothgang entwickelt wurden: Mit dem Sockel-Spitze-Tausch würde man die Pflegebedürftigen schnell und spürbar finanziell entlasten.“ In Kombination aus Beitragserhöhung, Bürgerversicherung sowie einem Steuerzuschuss des Bundes für versicherungsfremde Leistungen und einem längst fälligen Investitionszuschlag der Länder wäre eine große Pflegereform auch finanzierbar.

Brandenburgs Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) begrüßte die Forderung des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen, dass die Pflegeversicherung grundlegend reformiert werden muss. „Angesichts der weiter steigenden Zahl von Pflegebedürftigen ist klar, dass die gesetzliche Pflegeversicherung nicht nachhaltig aufgestellt ist. Wenn sie nicht reformiert wird, wird sie schon bald erneut an ihre Grenzen stoßen.“

Menschen in großer Sorge wegen der Kosten

Pflegende Angehörige besser zu unterstützen und zu entlasten, müsse oberste Priorität haben. „Die finanziellen Belastungen durch deutlich steigende Eigenanteile an den Pflegekosten bereiten den Menschen große Sorgen“, sagte die Ministerin.

Und weiter: „Die Eigenanteile in der Pflege müssen endlich begrenzt und planbar gemacht werden. Das könnte erreicht werden, wenn Betroffene als Eigenanteil einen festen Sockelbetrag zahlen, der dann durch die Pflegeversicherung bis zum jeweils benötigten Leistungsumfang aufgestockt wird.“ Damit wäre der Eigenanteil der Pflegebedürftigen gedeckelt, und weitere Kostensteigerungen würden grundsätzlich von der Pflegeversicherung getragen. „Für die entstehenden Mehrkosten muss die Pflegeversicherung finanziell besser ausgestattet werden“, sagte die Ministerin.

Dirk Baas