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Pflege

Bündnis fordert Vollversicherung bei der Pflege




Eine Tochter hält im Altenheim die Hand ihrer Mutter.
epd-bild/Nancy Heusel
Sozialverbände und Gewerkschaften dringen auf eine grundlegende Pflegereform. Die derzeitige Regelung mit Eigenanteilen sei eine Armutsfalle, eine Vollversicherung sei geboten.

Berlin (epd). Weil die Eigenanteile bei der Pflege steigen, will ein Bündnis aus Sozialverbänden und Gewerkschaften eine Pflegevollversicherung einführen. „Immer weniger Menschen können sich die eigene Pflege leisten“, heißt es in einem am 29. Juni in Berlin veröffentlichten Aufruf. Dem Bündnis gehören unter anderen der Paritätische Gesamtverband, der Sozialverband Deutschland, die Arbeiterwohlfahrt, die Volkssolidarität, der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di an. Unterstützung für den Vorstoß kommt von der Deutschen Stiftung Patientenschutz und der Diakonie.

Finanzielle Überforderung

Alle pflegebedingten Kosten sollten künftig von der Pflegeversicherung übernommen werden, fordert das Bündnis. Dadurch würden sich die von Heimbewohnerinnen und -bewohnern selbst aufzubringenden Kosten um die Hälfte reduzieren. Derzeit liege der durchschnittliche Eigenanteil für Pflegebedürftige im ersten Jahr im Heim bei 2.700 Euro. Im ambulanten Bereich würden Pflegebedürftige häufig notwendige Pflege nicht in Anspruch nehmen, um eine finanzielle Überforderung zu vermeiden, hieß es.

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, sprach von der Pflegebedürftigkeit als Armutsfalle. Daran ändere auch die aktuelle Pflegereform nichts. „Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung die Pflegeversicherung aus der Sackgasse holt und den Menschen mit einer Pflegevollversicherung Sicherheit gibt“, sagte Schneider.

Planbarkeit und Generationengerechtigkeit

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz erhebt ähnliche Forderungen. Deren Vorstand Eugen Brysch sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), Planbarkeit und Generationengerechtigkeit gingen nur, wenn die reinen Pflegekosten komplett solidarisch übernommen würden. Das sei keine Vollfinanzierung, erklärte Brysch: „Denn Unterbringung, Verpflegung und überdurchschnittlichen Komfort haben Pflegebedürftige weiterhin aus der eigenen Tasche zu zahlen.“

Die Diakonie Deutschland setzt sich nach den Worten ihrer Sozialvorständin Maria Loheide für eine Pflegevollversicherung mit begrenzter Eigenbeteiligung ein. Sie lehnte eine prozentuale Beteiligung der Heimbewohner und ambulant Betreuten an den Kosten ihrer Pflege ab und forderte stattdessen, den Eigenanteil auf einen absoluten Betrag zu deckeln. Der gemeinsame Aufruf der Sozialverbände und Gewerkschaften sieht gar keine Eigenbeteiligung an den Pflegekosten vor. Loheide forderte außerdem eine schnelle und grundlegende Pflegereform. Dem epd sagte die Diakonie-Sozialvorständin: „Bereits jetzt ist die Versorgungssituation defizitär.“

Nils Sandrisser


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