Berlin (epd). Bildungsbenachteiligung bei Kindern zu reduzieren, gilt als eine der großen politischen Herausforderungen dieser Zeit. Weil gravierende Nachteile oft schon im frühen Alter da sind, kommt der Kindertagesbetreuung als gemeinsamem Bildungsort eine zentrale Rolle zu. Doch Kita ist nicht gleich Kita. Das zeigt die neue Erhebung der Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem Titel „Kitas 2. Klasse? Mehrfachbelastungen von Kitas mit Kindern aus sozioökonomisch benachteiligten Familien“.
Die Studie untersucht Unterschiede zwischen Kindertageseinrichtungen hinsichtlich der sozioökonomischen Verhältnisse von Kindern und Familien. Die Expertise basiert auf einer Sekundäranalyse des Datensatzes der Einrichtungsleitungen der ERiK-Surveys des Deutschen Jugendinstituts (DJI).
Bildungspolitik und Bildungsadministration könnten nur gelingen, wenn denjenigen, die die pädagogische Arbeit in Kitas gestalten, für ihre Arbeit passende Rahmenbedingungen zur Verfügung stehen, heißt es im Vorwort der Studie: „Zu den Voraussetzungen für eine möglichst hohe Bildungsqualität in Kitas zählen unter anderem adäquate personelle, räumliche und finanzielle Mindeststandards. Dies gilt insbesondere dort, wo eine Häufung sozialer Risikolagen vorliegt. Denn wo Problemlagen kumulieren, können ungünstige differenzielle Lernmilieus entstehen.“
In Kitas mit vergleichsweise vielen Kindern aus armutsgefährdeten Haushalten, aus Elternhäusern mit formal niedrigen Bildungsabschlüssen oder geringen Deutschkenntnissen sei erfolgreiche Bildungsarbeit eine besondere Herausforderung. Darum sollten diese Kitas personell überdurchschnittlich gut ausgestattet werden, und zwar sowohl quantitativ als auch qualitativ. „Ungleiches ungleich zu behandeln, ist ein Schlüssel für den Abbau von Bildungsbenachteiligung. Das gilt für Kitas wie für Schulen“, so die Studie.
Für ihre Analyse haben die Autorinnen und Autoren die Kitas in zwei Kategorien unterteilt: Typ A besuchen keine Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien, in Typ B sind mindestens 31 Prozent der Kinder aus ebendieser sozialen Schicht.
Die Forscher belegen: Gerade dort, wo sich Herausforderungen mit Blick auf Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit ballen, agieren viele Kitas unter schlechteren Rahmenbedingungen. So bestehe das Risiko, dass die entsprechenden Einrichtungen zu „Kitas zweiter Klasse“ werden. „Nicht, weil dort schlechter oder weniger engagiert gearbeitet würde, sondern weil die Rahmenbedingungen für erfolgreiches pädagogisches Wirken den besonderen Herausforderungen nicht gerecht werden“, so das Fazit.
Der Ausbau der frühen Bildung für die Kleinsten und die Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Platz in Kita oder Kindertagespflege sehen die Wissenschaftler als wichtige Schritte, um allen Kindern unabhängig von ihrem familiären Hintergrund gleiche Chancen auf eine gute Entwicklung und die Entfaltung ihrer Potenziale zu ermöglichen. Aber, so die Studie: Kitas mit einem höheren Anteil an Kindern aus sozioökonomisch benachteiligten Familien können ihren selbstgesetzten Bildungsauftrag nur schlecht oder gar nicht umsetzen. Folgende negative Aspekte seien zu beobachten:
Als Lösungsansätze präsentiert die Untersuchung mehrere Vorschläge. So sollte die Zusammensetzung von Kitas chancengerecht gesteuert werden, Stichwort Segregationsprävention. Dazu könne die Platzvergabe anhand transparenter Kriterien und unter Berücksichtigung eines Sozialindex-Wertes geschehen. Zusätzliche materielle wie personelle Ressourcen müssten an betroffene Kitas gehen, um ihnen eine angemessene Unterstützung zukommen zu lassen.
Zudem sollte versucht werden, attraktive Arbeitsbedingungen für Kitas mit besonderen Herausforderungen zu schaffen: Das sei besonders wichtig im Hinblick auf die Gesundheit und die Arbeitszufriedenheit der pädagogischen Fachkräfte. Auch schlagen die Fachleute vor, multiplen Herausforderungen multiprofessionell zu begegnen: Etwa durch Fokussierung der Aus-, Fort- und Weiterbildung, um fachlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit sozioökonomisch benachteiligten Kindern adäquat zu begegnen (z. B. durch Kita-Sozialarbeit).
Und schließlich: Von Eltern erhobene Zusatzkosten sollten sich am Einkommen orientieren. So ließen sich die Auswirkungen der finanziellen Zusatzbelastung für sozioökonomisch benachteiligte Familien abfedern, etwa indem Ausgaben für Kopier- und Bastelgeld sozial gestaffelt werden.