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Katastrophen

Ahrtal: Eine Region mit Narben




Hobbygärtnerin Daniela Paffenholz im Gemeinschaftsgarten des Vereins "Hoffnungswerk" in Altenahr
epd-bild/Meike Böschemeyer
Die Flutkatastrophe in Teilen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen vor drei Jahren hat das Leben der Menschen auf den Kopf gestellt. Neben dem Wiederaufbau ist nach wie vor Unterstützung bei der Bewältigung der sozialen Folgen gefragt.

Altenahr (epd). Hinter dem Trümmerhaufen wächst und gedeiht es: Pralle Kohlrabi, üppige grüne Salatköpfe und Zucchini-Pflanzen mit gelben Blüten tummeln sich auf einem Grundstück an der Ahr. An der Zuwegung des Gemüsegartens erinnert ein Hügel aus Geröll und Steinplatten an die Hinterlassenschaften der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021. Dennoch steht der neu angelegte Gemeinschaftsgarten für den Wiederaufbau an der Ahr. „Hier arbeiten junge und ältere Menschen zusammen“, sagt Walter Bargen vom Verein Hoffnungswerk, der als Quartiersmanager Projekte für den Zusammenhalt der Menschen in Altenahr organisiert.

Daniela Paffenholz gehört zu der Gruppe von Hobbygärtnerinnen und -gärtnern, die sich hier regelmäßig treffen. Die 44-Jährige kommt, um Kontakte zu pflegen, erzählt sie. Ihr eigener Garten und ihr Haus in Altenahr-Altenburg wurden vor drei Jahren von der Flut weggespült. Seitdem lebt sie mit ihrer Familie 30 Autominuten entfernt in der Eifel. Die Familie wartet nun darauf, dass ihr neues Haus mit hochwassergeschützter Architektur in Altenburg fertig wird.

Zehntausende verloren Hab und Gut

Nach tagelangem Starkregen waren Mitte Juli 2021 ganze Regionen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen überflutet worden. In der Nacht des 14. Juli traten im Westen Deutschlands viele Flüsse über die Ufer, mehr als 180 Menschen starben, Hunderte wurden verletzt, Zehntausende verloren Hab und Gut. Besonders im Ahrtal stiegen die Pegel rasant. In Altenahr, wo die meisten Opfer zu beklagen waren, stand das Wasser über sieben Meter hoch, normal ist weniger als ein Meter. Ganze Ortschaften und Landstriche wurden durch die Wassermassen verwüstet. Manche Orte waren tagelang von der Versorgung abgeschnitten.

In Altenahr ist das Begegnungscafé „nur mut“ jetzt Treffpunkt und Ankerplatz für Menschen wie Daniela Paffenholz. „Nach der Flut waren ja viele in alle Winde verstreut. Hier kann man sich treffen“, sagt auch Ramona Engel, die ihr flutgeschädigtes Haus renovieren und wieder beziehen konnte.

In das Begegnungscafé, eine mit Eigenarbeit und mithilfe von Spenden renovierte ehemalige Eisdiele, kommen Menschen zum Handarbeitsnachmittag, zum Spiele- oder Frühstückstreff. Dort hat auch Quartiersmanager Bargen sein Büro. Er will in Zukunft auch eine Repair-Werkstatt oder eine Plattform für Nachbarschaftshilfe anbieten.

Das Quartiersmanagement in Altenahr ist eines von zehn Quartiersprojekten in den Flutgebieten in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, mit deren Aufbau die Diakonie Katastrophenhilfe (DKH) im vergangenen September begonnen hat. 4,2 Millionen Euro aus Spendenmitteln stellte die Organisation zur Verfügung.

Gemeinschaften vor Ort stärken

„Ziel ist es, die Gemeinschaften vor Ort zu stärken und die Menschen auf mögliche künftige Katastrophen vorzubereiten“, sagt Andreas Vollmert, der für die DKH Rheinland-Westfalen-Lippe für die Quartiersarbeit in den Flutgebieten zuständig ist. „Viele Menschen leiden darunter, dass soziale Angebote vor Ort weggebrochen sind.“ Da fehlten etwa plötzlich die Gaststätten für den Skat-Stammtisch, das Café oder das Vereinsheim. Auch der Aufbau von Warnsystemen oder Nachbarschaftshilfen soll laut Vollmert dazu beitragen, besser gegen mögliche Katastrophen gewappnet zu sein.

Soziale Unterstützung werde in der Region noch lange gebraucht, sagt Katharina Scharping, Leiterin des Traumahilfezentrums im Ahrtal. „Es wird so etwas wie eine Narbe in der Region bleiben. Vielleicht noch über eine Generation oder länger.“ Die Nachfrage nach Beratungsterminen im Traumahilfezentrum habe auch drei Jahre nach der Katastrophe nicht nachgelassen: „Unsere Termine sind immer ausgebucht.“ Vielfach suchten nun Menschen Hilfe, die die Folgen der Flut lange Zeit gestemmt und sich durchgekämpft hätten. „Diese Menschen gehen jetzt in die Knie, wenn eine weitere Belastung hinzukommt.“

Für Daniela Paffenholz und Ramona Engel sind der Treffpunkt und die Angebote beim Hoffnungswerk zu einer Stütze in ihrem von der Flut durcheinandergewirbelten Leben geworden. „Hier sind neue Kontakte und Zusammenhalt entstanden“, sagt Engel.

Von Claudia Rometsch


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