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Entschädigung

Rehabilitierung Homosexueller: Erst 264 Anträge positiv beschieden



Die Bestrafung einvernehmlichen homosexuellen Geschlechtsverkehrs noch nach der Nazi-Zeit wird heute als Unrecht gesehen - und seit 2017 entschädigt. Mehrere Tausend Menschen dürften betroffen sein. Gemeldet haben sich aber nur wenige Hundert.

Berlin (epd). Sieben Jahre nach der Entscheidung des Gesetzgebers zur Rehabilitierung und Entschädigung von wegen homosexueller Handlungen verurteilten Menschen gehen kaum noch Anträge dazu ein. Im vergangenen Jahr gab es fünf Anträge, in diesem Jahr bis zum 1. Juli neun, wie das Bundesamt für Justiz mit Sitz in Bonn dem Evangelischen Pressedienst (epd) mitteilte. Und auch die Gesamtzahl der Anträge ist gering: 357 waren es seit der Bundestagsentscheidung im Sommer 2017. 264 davon wurden positiv beschieden.

Die Zahl der Anträge liegt damit deutlich unter dem, was erwartet wurde. Laut einem Rechtsgutachten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes wurden in der Bundesrepublik bis 1969 rund 50.000 Männer auf Grundlage des damaligen Verbots sexueller Handlungen zwischen Menschen gleichen Geschlechts verurteilt. Zwar wird davon ausgegangen, dass sehr viele davon nicht mehr leben. Dennoch rechnete die Bundesregierung zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Rehabilitierungsgesetzes mit mehreren Tausend Anträgen.

Homosexuelle, die nach Paragraf 175 nach 1945 wegen einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs verurteilt wurden, können durch das Gesetz eine Entschädigung in Höhe von 3.000 Euro erhalten, wenn das Urteil aufgehoben wird. Haftstrafen werden mit 1.500 Euro pro Jahr entschädigt. 2019 wurde die Regelung durch eine Richtlinie erweitert. Seitdem können auch Menschen, gegen die ermittelt wurde oder die eine Untersuchungshaft erlitten haben, ohne dass es am Ende ein Urteil gab, entschädigt werden.

Bislang rund 930.000 Euro gezahlt

Bislang wurden laut Bundesamt für Justiz rund 930.000 Euro an Entschädigungsleistungen ausgezahlt. Bei der Gesamtzahl der seit 2017 eingereichten Anträge überwiegen solche nach dem Rehabilitierungsgesetz, also nach einer Verurteilung. Bei den in den vergangenen anderthalb Jahren gestellten Anträgen beruft sich die leichte Mehrheit indes auf die Richtlinie.

Vor zwei Jahren verlängerte die aktuelle Bundesregierung zudem aufgrund der geringen Antragszahlen die Frist für das Stellen von Anträgen, die eigentlich schon im Juli 2022 auslaufen sollte. Sie läuft nun bis zum 21. Juli 2027.

Der Paragraf 175 galt seit dem Kaiserreich. Die Nationalsozialisten verschärften ihn und machten ihn so zur Grundlage von Verfolgung und Deportation Homosexueller. Dass die Norm nach dem Zweiten Weltkrieg überhaupt noch den Weg ins Strafgesetzbuch fand, wird durch den Bundestagsbeschluss von 2017 heute als Unrecht bewertet. Der Paragraf wurde in der Bundesrepublik 1969 abgemildert, abgeschafft aber erst 1994. In der DDR wurde die Norm Ende der 1960er Jahre abgeschafft. Die Opfer aus der NS-Zeit wurden 2002 rehabilitiert.