sozial-Politik

Geburten

1.200 Kinder kamen "vertraulich" zur Welt




Baby auf dem Wickeltisch
epd-bild/Jens Schulze
Ungewollte Schwangerschaften bringen Frauen oft in große Nöte. Wenn das Kind aus einer Vergewaltigung entstanden oder das Lebensumfeld von Gewalt geprägt ist, potenzieren sich die Probleme. Eine Lösung kann die "Vertrauliche Geburt" sein. Dieses Angebot gibt es seit zehn Jahren.

Aschaffenburg, Fürth (epd). Käme ans Licht, dass das Baby von einem anderen Mann ist - ihr Partner würde ausrasten. Er würde wieder zuschlagen. Auch das ungeborene Kind wäre nicht sicher. Verzweifelt überlegt die Frau, was sie tun kann. Sie kommt zum Schluss: Sie will heimlich entbinden. Allerdings nicht völlig anonym. Letztlich entscheidet sie sich für die vor zehn Jahren geschaffene Möglichkeit einer „Vertraulichen Geburt“. Laut Bundesfamilienministerium kommen derzeit deutschlandweit zehn Kinder pro Monat „vertraulich“ zur Welt.

Frauen, die ihr Kind dermaßen geschützt zur Welt bringen wollen, wenden sich an eine Schwangerenberatungsstelle. In etwa jedem fünften Beratungsfall kommt es laut Ministerium dann auch tatsächlich zu einer „Vertraulichen Geburt“. Für die Kinder bedeutet das meist: Adoption. Im Jugendalter dürfen sie dann erfahren, wer ihre Mutter ist. Seit das entsprechende Gesetz im Mai 2014 in Kraft trat, wurden bundesweit etwas mehr als 1.200 „Vertrauliche Geburten“ registriert. Auswertungen für die einzelnen Bundesländer gibt es dazu nicht.

Angebot wird eher in Städten als auf dem Land genutzt

„Vertrauliche Geburten“ seien vor allem in größeren Städten ein Thema, sagt Ursula Omer vom Sozialdienst katholischer Frauen in Aschaffenburg. „Bei uns kam das bisher selten vor, wir hatten unseren letzten Fall 2019.“ Die Klientin, eine Migrantin, war damals außerhalb der Ehe schwanger geworden: „Sie hatte sehr große Angst, dass sie dadurch familiäre Gewalt erfahren würde, vor allem fürchtete sie den Verlust der Zugehörigkeit zu ihrer Familie“, erinnert sich Omer. Nach der eingehenden Beratung kam es tatsächlich zu einer „Vertraulichen Geburt“.

Heidi Winter-Schwarz von der Katholischen Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen des Caritasverbands Nürnberg ist Expertin bei diesem Thema. Inzwischen wurden in Nürnberg um die 100 Frauen beraten. Rund 25 brachten ihr Kind geheim zur Welt. Häufige Gründe für den Wunsch nach einer „Vertraulichen Geburt“ sind neben einer von Gewalt geprägten Umgebung auch Schwangerschaften, die aus einer Vergewaltigung herrühren. Eine Frau habe ihr berichtet, sie könne das Kind wegen der Vergewaltigung „einfach nicht lieben“, sagt Winter-Schwarz.

Alternative zu Abtreibungen und Babyklappen

Durch die „Vertrauliche Geburt“ wollte der Gesetzgeber vor zehn Jahren explizit eine Möglichkeit jenseits der Abtreibung eröffnen. Außerdem soll so verhindert werden, dass ungewollte Kinder nach der Geburt ausgesetzt oder gar getötet werden. Sie sind auch eine Alternative zu den seit fast 25 Jahren existierenden sogenannten Babyklappen. Bei diesen anonymen Geburten findet vorher keine Beratung statt. Das ist bei der „Vertraulichen Geburt“ anders. Die Identität der Mütter bleibt dennoch auch in der Klinik geschützt, nur die Beraterin kennt sie.

Um die Anonymität der Schwangeren wirklich zu garantieren, hat der Beratungsverein donum vitae eine spezielle Karte im Kreditkartenformat entwickelt. Die kann bei der Anmeldung in der Klinik oder bei Frauenärzten anstelle einer Krankenkassenkarte überreicht werden. „Auf der Karte können das Pseudonym der schwangeren Frau sowie der Kontakt der begleitenden Beraterin vermerkt werden“, heißt es auf der Homepage.

Anders als bei einer anonymen Geburt hinterlegt eine vertraulich entbindende Frau einen Herkunftsnachweis. Aus dem gehen ihr Name, ihr Geburtsdatum und ihre aktuelle Adresse hervor. „Manche Frauen erläutern auch in einem Brief ans Kind, warum sie diesen Schritt gehen mussten“, berichtet Winter-Schwarz. Die Identität des Vaters muss nicht preisgegeben werden. Das sieht der in Frankfurt am Main ansässige Verein „Väteraufbruch für Kinder“ kritisch. Es sollte „ernsthafter“ versucht werden, Kindern auch den Vater zu erhalten, heißt es dort.

Herkunftsnachweise werden zentral verwaltet

Die versiegelten Herkunftsnachweise werden beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben aufbewahrt. Mit 16 Jahren darf das Kind Einsicht nehmen, wenn es wissen will, wer seine leibliche Mutter ist.

Die Beraterinnen vermuten, dass davon ab 2030 rege Gebrauch gemacht wird. Die eigenen Wurzeln zu kennen, sagt Inge Schmidt vom Diakonischen Werk Fürth, sei für die meisten Menschen wichtig. „Eine professionelle Begleitung von Minderjährigen, die einen Herkunftsnachweis einsehen möchten, könnte sinnvoll sein.“

Pat Christ