

Hannover (epd). Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat scharfe Kritik an der Einführung einer Bezahlkarte für Flüchtlinge geäußert. „Die Bezahlkarte ist die Verkörperung staatlichen Mobbings gegen schutzsuchende Menschen“, sagte der flüchtlingspolitische Sprecher der Organisation, Tareq Alaows, dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ in einem am 22. Juni veröffentlichten Interview. „Und 50 Euro als Bargeldgrenze im Monat ist ein Witz, diese würden Herrn Scholz nicht mal für eine Mahlzeit in einer Gaststätte reichen.“ In Niedersachsen hat unterdessen ein Bündnis aus mehr als 40 Initiativen und Organisationen eine Petition gegen die Bezahlkarte gestartet, die in ihren Augen diskriminierend ist.
Alaows kritisierte, mit der Bezahlkarte werde geflüchteten Menschen die Möglichkeit genommen, ihren Alltag eigenständig kompetent zu regeln. Unnötige Alltagshürden würden aufgebaut. „50 Euro Bargeld sind absolut realitätsfern, wenn man bedenkt, wie viel in Deutschland noch mit Bargeld gezahlt wird.“ Nicht einmal für eine Ratenzahlung bei Rechtsanwälten, die häufig kein Kartenlesegerät besäßen, sei der Betrag ausreichend.
Ähnlich sehen es die Unterzeichner des niedersächsischen Appells, zu denen der Landesflüchtlingsrat, der Landesjugendring und der Niedersächsische Integrationsrat zählen. Sie hatten bereits Mitte Mai einen Aufruf an die Landesregierung gerichtet und haben vor wenigen Tagen auf der Plattform „open petition“ eine Petition gestartet.
In der an die Landtagspräsidentin gerichteten Petition kritisieren sie, die Einführung der Bezahlkarte sei lediglich eine populistische Symbolpolitik. Sie stehe für „systematische Diskriminierung und Ausgrenzung von Geflüchteten anstatt Chancengleichheit und gleichberechtigter gesellschaftlicher Teilhabe“.
Joachim Rock, Leiter der Abteilung Soziales und Europa sowie designierter Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, nannte die Bezahlkarte „diskriminierend und teuer“. Sie seien ein „Bürokratiebooster“, weil mit solchen Einschränkungen zahlreiche Bedarfe nicht gedeckt werden könnten, was absehbar Anträge auf zusätzliche Geldleistungen zur Folge habe. „Statt Ressentiments zu bedienen, muss die Politik es den Menschen ermöglichen, die ohnehin zu knappen Mittel selbstbestimmt zu verwenden“, sagte Rock.
Die Ministerpräsidentenkonferenz der Länder hatte sich am 20. Juni in Berlin mehrheitlich auf eine Bargeldobergrenze in Höhe von 50 Euro bei der bundesweit geplanten Bezahlkarte für Flüchtlinge verständigt. Damit sollen staatliche Leistungen für Asylsuchende und Flüchtlinge künftig weitgehend bargeldlos gewährt werden.
Bremen will abweichend einen Betrag von bis zu 120 Euro auszahlen, wie die Senatskanzlei der Hansestadt am Freitag mitgeteilt hatte. Das Land begrüße ausdrücklich das mit der Bezahlkarte verbundene Ziel, den Verwaltungsaufwand der Kommunen zu minimieren, hieß es dazu. „Angesichts der Lebensrealität der Menschen ist es aber weiterhin erforderlich, dass sie über Bargeld verfügen können.“
Das Vorhaben der rot-grün-roten Regierung stößt bei der CDU in Bremen auf Ablehnung. Sie spricht von einem „gefährlichen Sonderweg“. „Wenn in den niedersächsischen Umlandgemeinden in Zukunft nur 50 Euro Bargeldauszahlung möglich sind, in Bremen aber mehr als das Doppelte, ist doch klar, wo sich Asylbewerber dann registrieren lassen“, sagte der Landesvorsitzende der CDU Bremen, Heiko Strohmann. Nötig sei ein Gleichschritt mit Niedersachsen. Die CDU Bremen stehe zu den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz.