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Viele Hürden für Flüchtlinge auf dem Weg zu einem Job




Eine Integrationskampagne aus dem Jahr 2018 wirbt mit Erfahrungen von Flüchtlingen.
epd-bild/social-bee
Für Flüchtlinge ist es schwer, in Deutschland in Arbeit zu kommen. Rechtliche Hindernisse stehen im Weg, sprachliche Barrieren sind zu überwinden. Die berufliche Qualifikation wird oft nicht anerkannt. Viele fangen zunächst mit einfachen Jobs an.

Frankfurt a. M. (epd). Hussein Azimi (Name geändert) hat es geschafft. Er hat sich erfolgreich auf einen Job beworben. Der 25-jährige Flüchtling aus Afghanistan, der seit April 2023 im Landkreis Main-Spessart lebt, arbeitet seit Oktober als Aushilfe in einem Restaurant. Allerdings liegt sein Arbeitsplatz zwölf Kilometer von seiner Flüchtlingsunterkunft entfernt. Ein Auto hat Azimi nicht. Er ist auf den Bus angewiesen. „Der fährt spätabends nicht“, erzählt er. Das ist ein Problem. Denn der Afghane arbeitet oft nachts.

„Ich fuhr letzten Winter oft mit dem Fahrrad zur Arbeit, es war manchmal sehr kalt“, berichtet er. Dennoch zog er die Sache durch: „Ich brauche Geld, ich will arbeiten.“ Sein Job gefällt ihm: „Es sind gute Kollegen, auch der Chef ist gut.“

Gefahr der Schwarzarbeit

Manche Flüchtlinge dürften nicht arbeiten, erläutert Ulrich Schneider vom Caritasverband für den Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. Das betreffe etwa Asylbewerber aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten wie Senegal, Ghana oder Georgien. Auch könnten Menschen mit Duldung, denen vorgeworfen wird, falsche Angaben zu ihrer Person gemacht zu haben, durch ein Arbeitsverbot sanktioniert werden. „Das birgt die Gefahr, dass sie in die Schattenwirtschaft gedrängt werden“, sagte der Freiburger Migrationsexperte dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Flüchtlinge mit Aufenthaltsgestattung oder Duldung müssen sich mindestens vier Jahre lang jede Beschäftigung individuell von der Ausländerbehörde erlauben lassen. Aufgrund der Arbeitsbelastung in den Behörden dauere es oft lange, bis die Erlaubnis erteilt wird, sagt Schneider. Vielen Arbeitgebern sei das Verfahren zu bürokratisch und zu zeitaufwendig. Daran scheiterten Einstellungen auch oft. Die Katholische Arbeitsgemeinschaft Migration (KAM), der Ulrich Schneider angehört, fordert für diese Flüchtlinge deshalb eine generelle Beschäftigungserlaubnis.

Fünf Jahre Wartezeit auf eine Arbeitserlaubnis

Mousa Mazidi hilft Flüchtlingen, zu Jobs zu kommen. Der aus dem Iran stammende Vorstand der Oldenburger „Interkulturellen Arbeitsstelle für Forschung, Dokumentation, Bildung und Beratung“ kann sich gut in die Lage seiner Klienten versetzen. Als er Mitte der 1980er Jahre nach Deutschland kam, musste er fünf Jahre lang warten, bis er arbeiten durfte. „Das war wirklich schlimm“, weiß Mazidi, der in seiner Heimat als Lehrer gearbeitet hat und nun in Deutschland als Sozialarbeiter beschäftigt ist.

Mazidi sagt, Flüchtlinge, die nicht arbeiten wollten, kämen ihm selten unter: „Viele wollen nicht zuletzt deshalb unbedingt arbeiten, weil sie verschuldet sind, zum Beispiel bei Schleusern oder Schleppern.“ Flüchtlinge, die partout keinen Job annehmen, seien nach seiner Erfahrung psychisch krank oder stark traumatisiert.

Nach sechs Jahren auf dem Arbeitsmarkt angekommen

„Bei der Vermittlung von Zugewanderten in Arbeit müssen wir schneller und besser werden“, fordert Bettina Franzke, Professorin für Interkulturelle Kompetenzen und Diversity-Management an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW in Gelsenkirchen. Forschung und Praxis zeigten, dass es für Asylbewerber etwa sechs Jahre dauere, bis sie auf dem deutschen Arbeitsmarkt angekommen seien. Zwei Jahre dauere oft das Asylverfahren, zwei Jahre der Deutschkurs mit beruflicher Orientierung. Mindestens zwei Jahre seien für die Qualifizierung zu veranschlagen.

Nur bei Geflüchteten aus der Ukraine entfalle das Asylverfahren. „Bei dieser Gruppe kommt aber hinzu, dass die Menschen in der Regel aus ihrem Leben gerissen wurden und nicht wissen, ob und wann sie in die Ukraine zurückkehren werden“, sagt die Wissenschaftlerin. Unter diesen Bedingungen falle es ihnen schwer, sich auf eine berufliche Um- und Neuorientierung einzulassen.

Der Soziologe Mahmut Hamza leitet in Bochum den Fachbereich „Migration & Integration“ des Vereins „PlanB Ruhr“. Nach seiner Ansicht stellen lange Anerkennungsverfahren für im Heimatland erworbene berufliche Qualifikationen ein großes Problem dar. Viele Flüchtlinge nähmen deshalb zunächst unqualifizierte Jobs an: „In unseren Beratungsstellen haben wir Ratsuchende, die seit 2015 in Deutschland leben, erwerbstätig sind und jetzt erst ihre Qualifikationen anerkennen lassen möchten.“

Vielerorts müssten Geflüchtete lange auf Sprach- und Integrationskurse warten, sagt Jens Kötter von der „Gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender“ in Münster. Aufgrund fehlender Sprachkenntnisse könnten Flüchtlinge oft ihre Berufserfahrung in Deutschland nicht nutzen. Dem könne durch „arbeitsplatzassistierte Sprachförderung“ entgegengewirkt werden: „Ist ein Arbeitgeber interessiert, jemanden sozialversicherungspflichtig einzustellen, kann durch uns eine Sprachförderung direkt am Arbeitsplatz installiert werden.“

Pat Christ


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