sozial-Politik

Armut

Mittellos unter reichen Nachbarn




Lebensmittelausgabe bei der Tafel Starnberg
epd-bild/Michael McKee
Im Kreis Starnberg ist das Leben teurer als fast überall sonst in Deutschland. Allerdings haben die meisten dort auch mehr Geld als die Bevölkerung im Rest des Landes. Aber: Die hohen Lebenshaltungskosten müssen auch die Armen in Starnberg bezahlen.

Starnberg (epd). Die exklusive 4-Zimmer-Wohnung im Örtchen Berg liegt auf einer Anhöhe. Auf einem Immobilienportal wirbt der Anbieter mit dem „atemberaubenden Panorama auf den Starnberger See“. Die Bilder in der Anzeige zeigen Föhnwolken am Himmel und weiße Segelboote, die in der Ferne auf dem Wasser treiben. Die Mietwohnung ist zu haben: Wer in Zukunft durch sein Fenster auf die weiß-blaue Idylle blicken will, muss 4.160 Euro Kaltmiete für 160 Quadratmeter bezahlen.

Lebenshaltung um 14 Prozent teurer als im Durchschnitt

Der Landkreis Starnberg gehört zu den reichsten Gegenden in Deutschland: Obwohl die Lebenshaltungskosten rund 14 Prozent über dem deutschen Durchschnitt liegen, können sich hier die Menschen eine Menge von ihrem Geld leisten, wie eine Studie des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt.

Das heißt: Wer auch immer in die „sonnendurchflutete Wohnung“ mit Seeblick ziehen wird, wird sich wahrscheinlich keine Gedanken machen müssen, ob Restaurants im neuen Jahr 7 oder 19 Prozent Mehrwertsteuer verlangen. Oder wie hoch die Spritpreise an der Tankstelle sind.

Susanne Wagner (Name geändert) deutet auf ihren kleinen Wagen auf dem Parkplatz. „Eine Tankfüllung kostet 50 Euro“, sagt sie. Das weiß sie, ohne eine Sekunde zu überlegen.

Susanne Wagner und ihr Sohn Julian (Name geändert) haben schwere Taschen mit Bananen, Kartoffeln und Fruchtquark bei sich, die sie gerade von der Tafel bekommen haben. Tafeln gibt es mehrere in der Gegend, in Feldafing, in Tutzing oder am Ammersee. Regelmäßig holt Wagner gespendete Lebensmittel für ihre Familie. „Ohne würde es nicht gehen“, sagt sie.

Abhängig von staatlichen Hilfen

Seit einem schweren Unfall vor ein paar Jahren sind sie und ihre dreiköpfige Familie abhängig von staatlichen Hilfen. Sie leben von einer kleinen Rente ihres Mannes und von Bürgergeld. Der Einkauf von Lebensmitteln ist teuer, sagt die 54-Jährige und fügt hinzu: „Zum Glück kann ich gut kochen.“

Das Geld ist trotzdem knapp. Viel knapper als bei Julians Mitschülern. Da laden die Eltern die Freunde ihrer Kinder am Geburtstag zum Klettern in der Umgebung ein. Die Eltern packen die Kinder in ihre beiden Autos, und dann geht es los, Essengehen für alle inklusive. Wagner muss sich bei Geburtstagen mehr Mühe geben: Das Essen ist selbst gemacht und statt sportlicher Eventlocation geht es allenfalls ins Kino oder zum Kegeln.

Erika Ardelt ist die Vorsitzende der Starnberger Tafel, die rund 600 Menschen im Landkreis unterstützt. „Unsere Gäste sind Menschen, in deren Leben es nicht geradeaus gegangen ist.“ Viele Alleinerziehende seien dabei, andere können sich die Miete nicht mehr leisten, wenn der Partner gestorben ist.„ Auch bei der Starnberger Tafel seien - wie fast überall in Deutschland - die Gäste mehr geworden und die Lebensmittel weniger, erzählt Ardelt. Aber: “Wir werden gut unterstützt, es gibt viele Spenden von anonymen Privatleuten."

Kostenlose Nachmittagsbetreuung

Es macht einen Unterschied, ob Menschen in einer wohlhabenden oder einer armen Gegend sehr wenig Geld haben, sagt Paula Wenning, Fachreferentin für soziale Sicherung beim Kinderschutzbund Bundesverband: „Es ist nicht so, dass das eine besser ist als das andere. Es ist einfach sehr anders, und es gibt Vor- und Nachteile“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd).

In finanzstarken Kommunen gebe es oft bessere Angebote wie eine kostenlose Nachmittagsbetreuung oder eine bessere Kita-Infrastruktur, auch häufig mehr private Förderangebote: „Das sind zum Beispiel Fördervereine an Schulen, die den Kindern eine teure Klassenfahrt finanzieren, wenn ihre Eltern sie nicht zahlen können. In den deutschen Brennpunktschulen gibt es das kaum.“ Allerdings seien die Kinder armutsbetroffener Familien in solchen Gegenden eher isoliert.

Häufig falle Armut gar nicht auf: „Gerade bei Kindern kann man es häufig nicht erkennen, weil die Eltern ihr letztes Hemd geben, damit es ihnen gut geht“, sagt Wenning.

Anna Schmid


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Im Landkreis Starnberg können sich die Menschen im bundesweiten Vergleich am meisten leisten - trotz der hohen Lebenshaltungskosten in der Region. Die hohen Preise müssen aber auch diejenigen bezahlen, die nur wenig Geld haben. Dadurch könnten sie stärker isoliert sein, sagt die Fachreferentin für soziale Sicherung beim Kinderschutzbund Bundesverband, Paula Wenning, im Interview.

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