sozial-Recht

Landesarbeitsgericht

Arbeitgeber darf erkrankten Mitarbeiter nicht heimlich filmen lassen



Nürnberg (epd). Beim Verdacht auf eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit dürfen Arbeitgeber nicht den erkrankten Mitarbeiter auf dessen Privatgrundstück heimlich filmen lassen. Ohne „hinreichende Verdachtsmomente“ seien verdeckte Filmaufnahmen und Aussagen des ausführenden Privatdetektivs nicht im Kündigungsschutzprozess zu verwerten, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg in einem am 27. April veröffentlichten Urteil.

Der mit einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Kläger arbeitete seit 23 Jahren als Betontechnologe in einem Betrieb im Raum Coburg. Seit November 2020 ist er, mit Ausnahme von einer Woche, durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.

Privatdetektiv filmte heimlich durch die Hecke

Der Arbeitgeber wollte sichergehen, dass der Mitarbeiter auch tatsächlich erkrankt ist. Er beauftragte einen Privatdetektiv. Dieser filmte den Beschäftigten heimlich auf dessen Privatgrundstück durch ein Loch in der Hecke beim Bau einer Terrasse und einer Mauer. Dem Arbeitnehmer wurde daraufhin fristlos gekündigt. Er habe sich gesundheitsschädlich verhalten und die eigene Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht.

Im Kündigungsschutzverfahren räumte der Kläger ein, lediglich Handlangerdienste geleistet zu haben. Das LAG Nürnberg kassierte die vom Arbeitgeber ausgesprochene fristlose Kündigung. Auf Antrag des Klägers löste das Gericht das Arbeitsverhältnis aber gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 35.000 Euro auf, weil eine Weiterbeschäftigung wegen der „feindseligen Haltung des Arbeitgebers“ nicht mehr infrage komme.

„Erheblicher Eingriff in die Privatsphäre“

Die Nürnberger Richter betonten zudem, dass die auf dem Privatgrundstück vorgenommenen heimlichen Filmaufnahmen einen „erheblichen Eingriff in die geschützte Privatsphäre“ des Klägers darstellten. Nur bei einem Verdacht einer Straftat oder einer schweren Pflichtverletzung könne das zulässig sein. Eine heimliche Überwachung dürfe insbesondere nicht „ins Blaue hinein“ oder wegen geringfügiger Verstöße stattfinden.

Die Aufnahmen und die Aussagen des Privatdetektivs dürften daher nicht im Kündigungsschutzverfahren verwertet werden. Verwertet werden dürften aber die Aussagen des Klägers. Eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung wegen genesungswidrigen Verhaltens rechtfertige das aber nicht.

Az.: 1 Sa 250/22