Berlin (epd). Die von der Ampel-Koalition geplante Kindergrundsicherung findet mehrheitlich Zustimmung in der Bevölkerung. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach hervor, die Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) am 20. März in Berlin vorstellte. Danach befürworten 60 Prozent der Gesamtbevölkerung und 75 Prozent der Eltern mit Kindern unter 18 Jahren die Einführung einer Kindergrundsicherung, obwohl sie wissen, dass sie mit Mehrausgaben für den Staat verbunden ist.
Die Ergebnisse sind Teil des „Familienbarometers“, das Paus vorstellte. Zur Kindergrundsicherung wurden den Angaben zufolge Anfang März 1.100 Menschen befragt. Paus sieht sich in ihrem Drängen auf die Umsetzung der Kindergrundsicherung bestätigt. Sie erklärte, in Zeiten, in denen sich die Menschen um ihre Zukunft sorgten, habe die Kindergrundsicherung Priorität. Mit ihr könne der Staat ein Sicherheitsnetz für Familien schaffen.
Aus dem Familienbarometer geht hervor, dass 93 Prozent der Eltern mit minderjährigen Kindern in großer Sorge sind wegen der Inflation. Sie liegt nach Angaben des Statistischen Bundesamts derzeit bei 8,7 Prozent. Nur noch 43 Prozent der Familien bewerten ihre wirtschaftliche Lage als gut. 70 Prozent der Bevölkerung erwarten von der Familienpolitik die Bekämpfung der Kinderarmut, 53 Prozent eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Väter und Mütter.
Die Kindergrundsicherung soll ab 2025 ausgezahlt werden und die Familienleistungen bündeln. Bisher führen bürokratische Hürden dazu, dass viele Familien nicht die Leistungen beziehen, die ihnen zustehen. Umstritten ist in der Ampel-Koalition aber, ob mit der Grundsicherung auch eine Erhöhung der Leistungen für Kinder in einkommensarmen Familien einhergehen soll. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat sich dazu mehrfach zurückhaltend geäußert.
Im Familienbarometer des Paus-Ministeriums werden zentrale Trends zum Familienleben in Deutschland auf Basis neuer Daten analysiert und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung familienpolitischer Leistungen beschrieben.
Daten zur Aufteilung der Berufs- und Familienarbeit bei Elternpaaren lassen erkennen, dass die Weichen dafür nach der Geburt des ersten Kindes gestellt werden. Knapp die Hälfte der Paare wünschen sich eine partnerschaftliche Aufteilung. Dem Familienbarometer zufolge geben aber 38 Prozent der Mütter an, dass sie zu Hause mehr Arbeit übernehmen, als zwischen ihnen und den Vätern vereinbart war. Die Mehrheit aller Mütter arbeitet nach der Geburt des ersten Kindes in Teilzeit. Ein Drittel arbeitet 35 Wochenstunden und mehr. Insgesamt sind drei Viertel der Mütter berufstätig.
Positiv auf die Arbeitsteilung zu Hause wirkt sich die Elternzeit aus. Hat auch der Vater Elternzeit genommen, übernehmen in gut einem Drittel der Familien zwar weiter die Frauen den größten Teil der Kinderbetreuung. Hat aber der Partner keine Elternzeit genommen, sind es knapp zwei Drittel.
Als Unterstützung für junge Eltern will die Ampel-Koalition zusätzlich zur Elternzeit eine zweiwöchige, bezahlte Freistellung im Job für den Partner oder die Partnerin nach der Geburt eines Kindes einführen, um ihnen mehr gemeinsame Zeit mit dem Neugeborenen zu ermöglichen. Paus erklärte, mit der „Elternstartzeit“ werde ein wichtiger Impuls für partnerschaftliche Aufgabenteilung in Familien gesetzt.
Der Paritätische warnte davor, die Kindergrundsicherung am Geld scheitern zu lassen. „Jedes fünfte Kind in Deutschland ist von Armut betroffen. Die Folgen für die Zukunft dieser Kinder sind dramatisch. So etwas darf der gesamten Ampel nicht egal sein”, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. Vom derzeitigen System des Kindergeldes und der Kinderfreibeträge profitierten Spitzenverdiener deutlich stärker als ärmere Familien. “Das ist eine nicht hinnehmbare Ungerechtigkeit. Alle Kinder müssen dem Staat gleich viel wert sein." Die von Familienministerin Paus eingebrachte Möglichkeit, den steuerlichen Freibetrag für Betreuung, Erziehung und Ausbildung abzusenken, sei sehr überlegenswert.
Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende, erklärte, der Familienmonitor zeige, wie sehr die Inflation Familien belaste: „Dabei zeigt sich auch: Familien mit kleinen Einkommen trifft es besonders hart. Gerade Alleinerziehende - und zu über 80 Prozent sind dies Frauen - arbeiten oftmals in schlecht bezahlten Mini- oder Midijobs, im Einzelhandel, im Gesundheits- und Sozialwesen. Armut von Alleinerziehenden bedeutet immer auch Kinderarmut.“ Auch deshalb müsse die Regierung die Kindergrundsicherung endlich auf den Weg bringen.
Die „evangelische arbeitsgemeinschaft familie“ (eaf) merkte an, dass eine Reduktion des Erwerbsumfangs von Vätern, um die Lasten der Sorgearbeit innerhalb der Familien besser zu verteilen, bisher kaum zu beobachten sei. „Sorgearbeit passiert nicht nebenbei, sondern beide Elternteile müssen ihre Erwerbsarbeit dafür phasenweise zurückstellen und reduzieren“, erklärte Bundesgeschäftsführerin Svenja Kraus. „Nur wer von Anfang an mindestens zeitweise allein Sorge für ein Kind übernimmt, kann einschätzen, was das bedeutet und wird später diese Verantwortung anerkennen und teilen. Hier erwarten wir ein deutliches Signal im Bundeshaushalt.“
Aus Sicht der eaf ist der Ausbau des Basis-Elterngeldes der richtige Weg. Sie favorisiert ein 6+6+6 Modell: 18 Basis-Elterngeld-Monate mit jeweils sechs Monaten exklusiv für einen Elternteil und sechs zur beliebigen Verteilung. „Das kostet natürlich Geld“, so Kraus. „Aber gute Familienpolitik darf nicht dem Haushaltsdiktat zum Opfer fallen.“