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Pflege

Interview

Firmenchef: Zeitarbeit hilft der Gesundheitsbranche




Cai-Nicolas Ziegler
epd-bild/Susanne Eichert/doctari
Ärzte und Pflegekräfte verdienen in der Zeitarbeit oft mehr als festangestellte Kollegen. Warum das berechtigt ist und Zeitarbeitsunternehmen für das Gesundheitssystem gut sind, erklärt der Geschäftsführer des Personaldienstleisters doctari, Cai-Nicolas Ziegler, im Interview.

Berlin (epd). Leiharbeit bringt die Pflege- und Gesundheitsbranche nach Überzeugung von Cai-Nicolas Ziegler voran. Ziegler ist Geschäftsführer von doctari, einem der größten Zeitarbeitsunternehmen für die Branche. Das Unternehmen mit Sitz in Berlin hat rund 60.000 Ärzte und Pflegekräfte in seinem Mitarbeiterpool, die es an Krankenhäuser verleiht. Im Interview erklärt Ziegler, dass Leiharbeit in der Pflege einen gewissen Grad nicht überschreiten dürfe. Der Geschäftsführer des Personaldienstleisters fordert zwar zusätzliche rechtliche Regelungen für die Leiharbeit, sagt aber auch, dass Kritik an der Leiharbeit nicht von Defiziten des Gesundheitssystems ablenken dürfe. Mit Ziegler sprach Luca Kissel.

epd sozial: Das Unternehmen doctari, dessen Geschäftsführer Sie sind, ist einer der größten Anbieter für medizinische Zeitarbeit und hat insgesamt 60.000 Ärzte und Pflegekräfte in seinem Mitarbeiterbestand. Was ist das für ein Geschäftsmodell, das nicht nur wegen seiner Größe überrascht?

Cai-Nicolas Ziegler: Wir bringen Ärztinnen, Ärzte und Krankenpflegekräfte dorthin, wo sie am dringendsten benötigt werden. Angefragt werden sie von Kliniken, die Patienten versorgen müssen und dafür nicht das nötige Personal haben. Diese Lücken schließen Fachkräfte, die in der Zeitarbeit tätig sind. Anfragen müssen oftmals von heute auf morgen bearbeitet werden. Dabei profitiert doctari stark von seiner Größe mit über 60.000 Fachkräften und über 5.000 Partnereinrichtungen.

epd: Nicht alle Akteure des Gesundheitswesens äußern sich positiv über Zeitarbeit ...

Ziegler: Auch wenn die Zeitarbeit immer wieder in der Kritik steht, sage ich: Doctari sorgt mit dafür, dass das Gesundheitssystem gut funktionieren kann.

epd: Was entgegnen Sie dem Deutschen Pflegerat, der Leiharbeit in der Pflege überflüssig machen will?

Ziegler: Ich kann Kritik an der Leiharbeit verstehen. Es gibt Kliniken, bei denen der Anteil an Leiharbeitnehmern ungesund hoch ist. So zwingend Leiharbeit in der Pflege auch ist, darf sie einen gewissen Grad nicht überschreiten. Dennoch sehe ich hinter diesen Forderungen auch eine gewisse Polemik. Die Leiharbeitsquote im medizinischen Bereich liegt bundesweit bei weniger als zwei Prozent. Hier wird ein Thema hochgespielt, um über Defizite des Gesundheitssystems hinwegzutäuschen.

epd: Was meinen Sie damit?

Ziegler: Die Arbeitsbedingungen sind in vielen Kliniken nicht so, wie man sich das wünschen würde. Die Wertschätzung der Beschäftigten hat oftmals einen zu geringen Stellenwert. Daraus resultiert auch eine Abwanderung in die Leiharbeit.

epd: Sie werben Mitarbeiter mit dem Versprechen an, über dem Branchendurchschnitt zu bezahlen. Wie können Sie sich das leisten?

Ziegler: Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben einen anderen Arbeitsalltag als Festangestellte. Unsere Ärzte sind durchschnittlich 6,8 Tage in einer Klinik im Einsatz. Das heißt, sie treffen jede Woche auf ein neues Team und müssen sich in kürzester Zeit einarbeiten. Im Anschluss wechseln sie den Einsatzort. Die Garantie, in der kommenden Woche zu Hause im eigenen Bett zu schlafen, gibt es nicht. Unsere Krankenpflegekräfte verbringen im Durchschnitt 30 Tage am Stück in einer Einrichtung.

epd: Wer mutet sich diesen Alltag zu?

Ziegler: Meistens sind es Menschen, die eher unternehmerisch geprägt sind. Die meisten unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten projektbasiert. Das gibt ihnen die Freiheit, relativ stark über ihre Einsätze zu bestimmen. Sie können zum Beispiel jederzeit eine dreimonatige Pause von der Arbeit einlegen, etwa um einer große private Reise zu machen.

epd: Bietet sich das für alle an, ob jung oder alt?

Ziegler: Natürlich ist es für viele nach einer gewissen Zeit als Leiharbeiter auch attraktiv, festangestellt in einer Klinik zu arbeiten. Unser Modell ist für viele ein temporäres Engagement oder auch etwas, was als Nebenjob läuft. Es gibt beispielsweise Ärzte, die neben ihren Schichten in Festanstellung noch eine weitere für doctari am Wochenende dranhängen.

epd: Nutzen Zeitarbeitsunternehmen wie doctari nicht die Personalknappheit in der Gesundheits- und Pflegebranche aus?

Ziegler: Es gibt Zeitarbeitsfirmen, die das tun. Diese werben Personen aus einer Festanstellung ab, die dann anschließend für mehr Geld im selben Unternehmen eingesetzt werden. Das ist schädlich für die Pflegebranche und auch für Zeitarbeitsunternehmen wie das unsere.

epd: Inwiefern?

Ziegler: Weil solche „schwarzen Schafe“ den Ruf unserer Branche verschlechtern. Wir dagegen von doctari setzen unsere Fachkräfte zeitlich begrenzt dort ein, wo sie gebraucht werden. Unser Ziel ist es unter anderem, Pflegekräften, die mit dem bestehenden System unzufrieden sind, eine Alternative zu bieten, um weiter in der Branche beschäftigt zu bleiben. Auf diese Weise nutzen wir den Fachkräftemangel nicht aus, sondern arbeiten mit gegen diesen an.

epd: Sollte die Politik die Leiharbeit schärfer regulieren?

Ziegler: Ja. Die Politik sollte unterbinden, dass aus einer Klinik abgeworbene Mitarbeiter dort wieder unmittelbar von Leiharbeitsfirmen eingesetzt werden können. Im Moment darf ein Leiharbeitnehmer bis zu 18 Monate in einem Partnerunternehmen eingesetzt werden. Wir sollten uns fragen, ob eine Verkürzung dieses Zeitraums nicht auch sinnvoll sein könnte. Die Politik muss verhindern, dass die Leiharbeit in der Pflege überhand nimmt.