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Flüchtlinge

Psychosozialem Zentrum droht Schließung



Flüchtlinge beraten und begleiten - das macht seit mehr als 40 Jahren das Psychosoziale Zentrum in Nürnberg. Immer wieder stand es finanziell auf der Kippe. Jetzt erneut.

Nürnberg (epd). Wer Hilfe sucht im Psychosozialen Beratungszentrum (PSZ) für Flüchtlinge, muss in Nürnberg mit einer Wartezeit von acht Monaten rechnen, bis er drankommt. Die beiden Sozialpädagoginnen und zwei Psychologinnen bieten 1.300 Beratungen pro Jahr an, mehr schaffen sie nicht. „Die vier Expertinnen gehen von einem Bedarf aus, der wohl doppelt so hoch ist“, sagt Georg Borngässer, der Sprecher des Trägers der Einrichtung, der Rummelsberger Diakonie.

Vergewaltigungen und Folter

Oft haben Flüchtlinge auf ihrem Weg viel erlebt und erlitten. Im PSZ erzählen sie davon, wie sie Zeuginnen und Opfer von Vergewaltigungen wurden, dass sie gefoltert wurden oder erleben mussten, wie kleine Kinder ertranken, Menschen geschlagen oder ausgeraubt wurden. Manche von ihnen finden in der angebotenen Kunsttherapie Hilfe. Die Flüchtlingsarbeit sei eine zentrale Aufgabe der Rummelsberger, betont Peter Barbian, Vorstand der Rummelsberger und Brüdersenior. „Es ist uns ein Herzensanliegen, dass diese Zielgruppen die optimale Versorgung bekommen.“

Dennoch hat das Vorstandskollegium der Rummelsberger bereits 2020 entschieden, dass das PSZ über das Jahr 2023 hinaus nicht mehr betrieben wird. Man könne sich jährliche Zuzahlungen von rund 200.000 Euro aus Spendengeldern nicht länger leisten. „Die Arbeit stellt niemand in Frage, aber sie muss auskömmlich gefördert werden“, sagt Barbian. Die Finanzierungszusagen seien „wackeliger“ geworden und die Zeiträume, für die sie gelten, kürzer. Viele Akteure seien an der Finanzierung solcher Stellen beteiligt, berichtet Barbian.

Den Freistaat Bayern, betont Barbian, erlebe er als einen verlässlichen Partner. Aus dem bayerischen Innenministerium kommt das Signal, dass eine finanzielle Unterstützung weiter möglich ist. „Voraussetzung hierfür ist jedoch ein Förderantrag der Rummelsberger beim Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF)“, sagte ein Ministeriumssprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Antrag auf die EU-Fördermittel müsse über den Diakonie-Dachverband gestellt werden. Auch die Sozialreferentin der Stadt Nürnberg, Elisabeth Ries, sieht in diesen Finanzmitteln einen Lösungsweg. Die Stadt Nürnberg hat im letzten Haushalt 13.000 Euro Unterstützung für das PSZ bereitgestellt. Diese Summe werde sicher nicht mehr weiter aufgestockt.

Weniger Unterstützung von der Landeskirche

Ries räumt ein, dass man es mit dem Finanzierungssystem für die Stellen für Flüchtlings- und Integrationsberatung (FIB) mit einer komplexen Gemengelage zu tun habe. Die Stellen im PSZ unterstütze die Stadt freiwillig, weil viele der Hilfe suchenden Flüchtlinge nicht aus den staatlichen Ankerzentren kämen, sondern bereits in anderen Unterkünften lebten.

Weniger Unterstützung als in früheren Zeiten erhalten die Rummelsberger von der bayerischen evangelischen Landeskirche. Sie habe ihre Zuschüsse zurückgefahren und sie fördere in der Flüchtlingsarbeit vorwiegend neue Projekte, erklärt Barbian. Das habe eine „schlüssige Logik, aber sie erfasst uns nicht, weil wir wegen unseres langjährigen Engagements aus dieser Logik rausfallen“.

Bayernweit anerkannt

An der Debatte über den Erhalt des PSZ störe ihn, sagt der Vorstand, dass in Vergessenheit gerate, was all die Jahre davor geleistet wurde. Das Psychosoziale Zentrum besteht seit 1980, seit 2002 gehört es zur Rummelsberger Diakonie. Die hat die Einrichtung übernommen, als ihr Schicksal einmal wieder am seidenen Faden hing. Millionen seien in diesen Arbeitsbereich geflossen.

Wegen seiner erfahrenen Mitarbeiterinnen sei das PSZ inzwischen überregional eine bekannte Größe. Dort holen sich Kolleginnen und Kollegen aus ganz Bayern Hilfe, erläutert Sprecher Borngässer. Es sei ein Netz entstanden, mit dessen Hilfe manchmal die mühevolle und langwierige Suche nach Hilfen für die Flüchtlinge merklich abgekürzt werde.

Jutta Olschewski