München (epd). Als erstes diakonisches Unternehmen in Bayern hat die Diakonie München und Oberbayern einen „Leitfaden zum Umgang mit sexualisierter Gewalt zwischen Beschäftigten“ vorgelegt. Der Leitfaden sorge für Neutralität, indem etwaige Fälle „aus der Hierarchielinie genommen werden“, sagte Vorstandssprecherin Andrea Betz dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das 17-seitige Papier legt genau fest, welche Prozesse ablaufen müssten, sobald jemand Beratung wegen einer Grenzüberschreitung im beruflichen Umfeld sucht.
Dafür habe die Diakonie München und Oberbayern drei Vertrauenspersonen benannt, die jederzeit ansprechbar seien, keiner Berichtspflicht unterlägen und sich auch externe Beratung holen könnten. Ein Interventionsteam mit vier Personen aus den Bereichen Recht, Pädagogik und Seelsorge stehe bereit, wenn in einem Fall ein internes Verfahren eröffnet werde. „Wenn sich ein Vorfall bestätigt, werden wir konsequent handeln“, erklärte Betz.
Zudem werde eine Präventionsbeauftragte benannt, die später über die Einhaltung des vollständigen Schutzkonzepts wacht, das bis Ende 2023 vorliegen soll. Damit erfüllt der Wohlfahrtsverband die Forderungen des entsprechenden „Rahmenschutzkonzepts“, das die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (ELKB) und der Dachverband der Diakonie Bayern im November 2021 verabschiedet hatten.
Die Diakonie München war im Herbst 2022 in die Schlagzeilen geraten, weil Vorwürfe der „Grenzüberschreitungen“ gegen ihren damaligen Vorstandssprecher bekannt geworden waren. Eine externe Kanzlei wurde mit einer Untersuchung beauftragt, nach deren Abschluss der Vorstandssprecher wegen „Fehlverhalten und Versäumnissen bei der internen Aufarbeitung“ abberufen wurde.
Zentrales Anliegen des jetzt vorgelegten „Leitfadens“ der Diakonie München sei der Schutz der Betroffenen, sagte Vorstandssprecherin Betz. Sie könnten entscheiden, ob sie ein Seelsorgegespräch mit Schweigepflicht oder eine offene Beratung wünschen. Sei jemand aus der ersten oder zweiten Führungsebene betroffen, werde die Bewertung des Falls an externe Juristen abgegeben. „Sofern nach entsprechender Prüfung ein begründeter Verdacht vorliegt, werden wir den Vorfall auch an die Meldestelle des Diakonischen Werks Bayern geben“, betonte Betz.
Doch auch die Seite der Beschuldigten werde berücksichtigt. „Wenn sich zeigt, dass jemand zu Unrecht beschuldigt wurde, muss er vollständig rehabilitiert werden“, sagte Betz. Auch deshalb seien alle Verfahrensbeteiligten zu Verschwiegenheit verpflichtet: Damit Platz ist für Lösungen, das Ausräumen von Missverständnissen oder eine ernst gemeinte Entschuldigung. Solch ein Fall könne abgeschlossen werden, „wenn die betroffene Person sagt: Das ist für mich in Ordnung“, erklärt Betz.
Nach dem Mailversand des Leitfadens an alle rund 5.000 Hauptamtlichen der Diakonie München und einer Pflichtschulung für die rund 370 Leitungskräfte solle das Schutzkonzept in den regelmäßigen Schulungsplan aufgenommen werden. Ziel sei es, die Unsicherheit beim Thema der sexualisierten Gewalt zu verringern. „Was der andere als Überschreitung seiner Grenze empfindet, kann für mich eine Lappalie sein - aber ich habe das zu respektieren, denn ich weiß nichts über seine Gefühle und seine Erfahrungen“, erklärte Betz.
Die Resonanz auf den Leitfaden sei positiv, nicht nur seitens der Mitarbeitenden, so Betz. Auch andere soziale Träger sowie Kommunen hätten Interesse bekundet, den Leitfaden zu adaptieren.