Frankfurt a.M. (epd). Neuerdings sehen die Schuldnerberaterinnen und -berater der Verbraucherschutzzentralen Menschen, die bislang eher selten in die Sprechstunden gekommen sind. „Bei Fragen zu Energieschulden haben wir es in jüngster Zeit mit mehr Anfragen aus der Mittelschicht zu tun als sonst“, sagte Kolja Ofenhammer, Referent bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Das betreffe vor allem die untere Mittelschicht, berichtet Ofenhammer: „Es sind Erwerbstätige, die mit ihrer Arbeit nicht viel verdienen.“ Bislang seien sie finanziell so einigermaßen über die Runden gekommen - durch die gestiegenen Preise für Energie klappe das nun aber nicht mehr. Mal seien es hohe Nachzahlungsforderungen, die die Hilfesuchenden nicht begleichen könnten, mal seien es die monatlichen Abschläge, die zu hoch geworden seien.
Viele Beratungsstellen im Bundesgebiet verzeichneten seit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 steigende Beratungszahlen, sagt die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung, Ines Moers. Durch die steigenden Energiekosten habe sich die Situation noch einmal verschärft, sie sei aber regional sehr unterschiedlich. „Wir rechnen damit, dass die Beratungszahlen weiter zunehmen, wenn die Abrechnungen der Energieanbieter kommen und klar ist, dass die Rechnungen nicht bezahlt werden können“, sagt Moers.
Anders als in Nordrhein-Westfalen registrieren die Schuldenberatungsstellen der Verbraucherschutzzentrale in Hessen bislang kaum Veränderungen in ihren Klientelgruppen. Das liege unter anderem daran, dass hier die Energieberatung in das Projekt „Hessen bekämpft Energiearmut“ ausgelagert ist, erklärt Marion Schmidt, Beraterin bei der Verbraucherschutzzentrale Hessen. Dort hätten die Fallzahlen in jüngster Zeit deutlich zugenommen.
Veränderungen der Klientel der Schuldenberatung gebe es auch in Hessen, berichtet Schmidt. „Es ändert sich etwas in der Altersstruktur“, sagt sie, „die Schuldner werden im Durchschnitt älter.“ Wenn man mit Schulden in die Rente gehe, dann reiche das Geld im Ruhestand oft nicht. „Es gibt Leute, die haben drei oder vier Putzstellen neben der Rente“, sagt Schmidt.
Auf der anderen Seite des Altersspektrums steige der Beratungsbedarf ebenfalls, berichtet Schmidt. Junge Erwachsene ließen sich oft durch die allgegenwärtigen Angebote zum Ratenkauf verleiten. Oder sie pflegten einen nicht an ihren Verdienst angepassten Lebensstil. „Ich habe hier hin und wieder schon mal einen jungen Kerl, der eigentlich ganz anständig verdient, sich aber jedes Wochenende einen teuren Sportwagen ausleiht“, schildert die Beraterin.
„Die hohe Inflation sehen wir als Problem bei uns in der Beratung noch nicht“, sagt Schmidt. Auch die steigenden Zinsen, die derzeit viele Hauskredite verteuern, seien in den Beratungen kein verbreitetes Thema - auch nicht im ländlichen Nordhessen, wo die Verbraucherzentrale in Fritzlar eine Beratungsstelle betreibt und wo Häuslebauer üblicherweise einen großen Teil der Hilfesuchenden ausmachen. „Aber das kommt noch“, ist die Beraterin sicher. Spätestens dann, wenn die Zinsbindung in vielen Kreditverträgen ausläuft und für die Restschuld höhere Zinsen fällig werden, werden viele das nicht mehr stemmen können.
Verbraucherberater Ofenhammer aus Nordrhein-Westfalen sagt, noch könnten die Verbraucherschutzzentralen den gestiegenen Bedarf an Schuldenberatung mit ihrem Personal bewältigen: „Wir versuchen, alle Beratungsangebote offen zu halten.“ Falls das nicht mehr gehe, müsse man die allgemeine Verbraucherberatung einschränken und deren Personal in die Schuldenberatung verlagern.