sozial-Politik

Wohngeld

Interview

Rentner: "Wo ich dann landen würde, weiß ich nicht"




Sozialarbeiter Marco Spindler (re.) im Gespräch mit Gerd Lehmann
epd-bild/Matthias Pabst
Gerd Lehmann bekommt nach der jüngsten Gesetzesreform erstmals Wohngeld ausgezahlt - so wie 1,4 Millionen andere Bürger auch, die neuerdings von dieser Staatshilfe profitieren. Der 71-Jährige sagt, ohne das Geld käme er kaum über die Runden.

Einbeck (epd). Gerd Lehmann musste aus gesundheitlichen Gründen mit 58 Jahren in den Ruhestand gehen. Entsprechend klein ist die Rente, die der frühere Mitarbeiter im technischen Außendienst aus dem niedersächsischen Einbeck bezieht. Er schäme sich nicht, diesen Anspruch wahrzunehmen, sagt er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Denn ohne würde es trotz aller Sparsamkeit schwierig. Die Fragen stellte Karin Miether.

epd sozial: Was bedeutet die Reform des Wohngeldes für Sie persönlich?

Gerd Lehmann: Ohne das neue Wohngeld würde ich wahrscheinlich irgendwann die Miete nicht mehr zahlen können und bekäme die Kündigung. Wo ich dann landen würde, weiß ich nicht. Letztes Jahr hatte ich unter den gleichen Voraussetzungen 4,75 Euro zu viel, um Wohngeld zu kriegen. Dieses Jahr ist es aufgrund der Regelung so, dass ich den Anspruch habe, Gott sei Dank! Darauf hat man mich aufmerksam gemacht, auch darauf, dass ich mich für den Antrag an die Beratungsstelle von der Diakonie wenden sollte.

epd: Sie brauchten also professionelle Unterstützung?

Lehmann: Allein hätte ich das nicht geschafft. Altersbedingt. Das Problem ist zum einen das Schreiben, weil durch den Diabetes die Hand zittert. Auch mit der Tastatur ist das mittlerweile schwer. Dann hat durch die vielen Medikamente meine Gedächtnisleistung auch gewaltig nachgelassen. Ich hatte auch grundsätzlich nicht erwartet, dass ich Anspruch auf Wohngeld habe. Das liegt in meinem Wesen. Ich gehe immer vom Negativen aus. Umso größer ist die Freude, wenn es dann klappt. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich schämen, etwas zu verlangen, auf das sie einen Anspruch haben.

epd: Das Wohngeld hilft ihnen künftig. Aber Sie haben auch Ihre Ausgaben kräftig reduziert. Worauf haben Sie in letzter Zeit verzichtet?

Lehmann: Hauptsächlich auf Fleisch. Das ist einfach zu teuer. Gemüse geht noch einigermaßen. Und ansonsten nehme ich hauptsächlich No-name-Produkte. Wo es irgendwie geht. Das zweite ist, dass ich so wenig wie möglich mit dem Auto fahre. Nur, wenn ich muss. Obwohl ich etwa alle 14 Tage rund 30 Kilometer weit nach Alfeld muss - zur Schmerztherapie -, komme ich im Jahr so auf 1.500 Kilometer, mehr nicht. Mehr wäre bei diesen Benzinpreisen auch schmerzhaft.

epd: Wie sieht die Mietbelastung aus?

Lehmann: Zurzeit bezahle ich pro Monat 450 Euro Miete und insgesamt mit Heizkosten und Wasser 600 Euro. Wobei ich vom letzten Jahr noch ein Polster habe. Die Stromkosten sind hochgegangen von 63 Euro auf 78, auch schon nicht gerade wenig. Ich koche mit Gas, aber schon immer. Ansonsten gucke ich wirklich: Brauchst du das? Musst du das unbedingt haben? Kannst du darauf verzichten? Oder wartest du bis zum nächsten Monat? Und ich gucke, wo ich es am günstigsten bekomme.

epd: Wie sehen Sie in die Zukunft?

Lehmann: Ich hoffe, dass ich erstmal dieses Jahr gut hinkriege. Das Wohngeld ist bewilligt worden bis zum 31. Dezember. Dann muss man sehen: Was kommt danach und reicht es dann für mich noch. Bei mir ist ja auch die Gesundheit ein Problem. Ob ich nächstes Jahr hier überhaupt noch wohnen kann, keine Ahnung. Die nächste OP steht bevor, an der Wirbelsäule. Das heißt versteifen. Dann brauche ich einen neuen Herzschrittmacher, weil der nicht so ist, wie ich es erhofft habe. Großartig lange Planungen mache ich nicht.