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Gesundheit

Rettungssanitäter: Immer häufiger unterwegs zu Bagatelleinsätzen




Thorsten Ernst
epd-bild/Florian Arp/Johanniter-Unfall-Hilfe
Die Zahl der Rettungseinsätze hat in den vergangenen Jahren bundesweit stark zugenommen. Ein Grund dafür liegt in den Alarmierungen aufgrund von Bagatellen. Ein ernstes Problem, das sich nicht so leicht lösen lässt.

Hannover (epd). Thorsten Ernst, Fachbereichsleiter Rettungsdienst im Johanniter Landesverband Niedersachsen-Bremen, berichtet, dass in seinem Verband die Zahl der Einsätze in den vergangenen drei Jahren um 12,5 Prozent zugenommen auf insgesamt mehr als 78.000 Einsatzfahrten angestiegen ist. „Bei vielen Menschen herrscht noch zu viel Unwissenheit, an welche Stelle sie sich mit welchen Leiden wenden können“, sagte Ernst dem Evangelischen Pressedienst (epd). Außerdem müssten Patienten längere Wege und Wartezeiten für Hausarztbesuche in Kauf nehmen. Viele nutzten zudem die Fahrt mit dem Rettungswagen als Mittel, um Wartezeiten in Notaufnahmen zu umgehen.

Bagatell-Anrufe lassen sich nicht aussortieren

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Rettungsleitstelle könnten Bagatell-Anrufe schlecht aussortieren, betonte der Experte. Bei bestimmten Begriffen am Telefon wie etwa Luftnot schicke Disponent im Zweifel einen Rettungswagen los. Oft kläre sich erst vor Ort, dass der Patient seit drei Wochen einen Husten habe und keinen Hausarzt habe.

Bei den Einsatzkräften führe die hohe Zahl an solchen Fehlfahrten zu Frust. „Die Kolleginnen und Kollegen sind in der Lage, einen Menschen aus einer lebensbedrohlichen Lage zu retten, und fahren dann einen Bagatell-Einsatz nach dem anderen, das ist nicht motivierend.“ So suchten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter häufig andere Arbeitsbereiche in Kliniken oder Arztpraxen. „Dann fehlt dieser Mensch im Rettungsdienst, wo er drei Jahre lang aufwendig ausgebildet wurde.“

Der sich verschärfende Personalmangel sei inzwischen ein flächendeckendes Problem in ganz Deutschland, mahnte Ernst. „Dieser Kampf wird auf dem Rücken unserer Mitarbeitenden ausgefochten und da gehört er gar nicht hin.“ Die Politik müsse das Problem endlich angehen.

Charlotte Morgenthal


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