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Krankenhäuser

Lauterbach: Mehr Medizin und weniger Ökonomie in Kliniken




Intensivstation einer Klinik in Essen
epd-bild/Werner Krüper
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Finanzierung der Krankenhäuser reformieren. Eine Basisvergütung soll neben das Fallpauschalen-System treten. Das soll den ökonomischen Druck mindern in kleinen wie großen Krankenhäusern. Doch das Grundproblem bleibt ungelöst: Knappe Gelder werden nur anders verteilt.

Berlin (epd). Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will das Vergütungssystem für Krankenhäuser umkrempeln. Gemeinsam mit der Regierungskommission für die Klinikversorgung in Deutschland stellte er am 6. Dezember in Berlin die Vorschläge vor. Er wolle sie zur Grundlage politischer Entscheidungen machen, sagte der SPD-Politiker und sprach von einer „Revolution im System“. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) kritisierte umgehend, die vorhandenen Finanzmittel sollten nur umverteilt werden. Das reiche nicht.

Künftig sollen alle Kliniken eine Basisfinanzierung für die Vorhaltung von Betten, Personal und medizinischem Gerät erhalten und nur einen Teil ihrer Ausgaben über Fallpauschalen für die jeweiligen Behandlungen refinanziert bekommen. Im Kern sollen die Kliniken in drei Vergütungsgruppen eingeteilt werden, lokale Krankenhäuser für die Grundversorgung, regionale Krankenhäuser und solche, die wegen ihrer Kapazitäten und Spezialisierung von überregionaler Bedeutung sind, inklusive der Universitätskliniken.

Kinderkliniken über Jahre vernachlässigt

Lauterbach sagte, die derzeitige Not in den Kinderkliniken zeige beispielhaft, was in der Klinikfinanzierung seit mindestens zehn Jahren falsch laufe. Kinderheilkunde, die Geburtshilfe oder die Pflege im Krankenhaus rechneten sich im gegenwärtigen Fallpauschalen-System nicht und seien vernachlässigt worden. Geld verdienen lasse sich dann, wenn möglichst billig, möglichst viele Patienten behandelt würden, erklärte Lauterbach. Er selbst wisse von Ärztinnen und Ärzten, die diesem ökonomischen Druck nicht mehr unterworfen sein und nicht mehr im Krankenhaus arbeiten wollten, beim Pflegepersonal sei es genauso, sagte Lauterbach. Die Probleme seien lange bekannt, aber nie grundsätzlich angegangen worden.

Verantwortlich für viele Fehlentwicklungen ist nach Lauterbachs Überzeugung die allzu gründliche Unterwerfung der Krankenhausbehandlung in Deutschland unter das Fallpauschalen-System. Die Reformvorschläge der Regierungskommission laufen darauf hinaus, es teilweise und insbesondere in der Grundversorgung ganz wieder abzuschaffen. Die Fallpauschalen, auch DRGs, die sich nach den Diagnosen der Patienten richten, sind vor knapp 20 Jahren eingeführt worden, um die Kosten der Krankenhausversorgung zu senken. Seitdem werden die Behandlungsfälle pauschal vergütet und nicht danach, wie hoch oder gering der Aufwand tatsächlich ist.

Pflegestellen aus Kostengründen wegrationalisiert

Eine der Fehlentwicklungen ist, dass Kliniken vor allem in der Pflege Stellen wegrationalisierten, um Personalkosten zu sparen. Die Pflege ist inzwischen aus dem Fallpauschalensystem wieder herausgenommen worden. In der vergangenen Woche hat der Bundestag zudem ein Gesetz beschlossen, wonach unter anderem Kinderkliniken und die Geburtshilfe mehr Geld erhalten.

Im Idealfall, so die Regierungskommission, sollen die Reformen dazu führen, dass einerseits überall die Grundversorgung gesichert ist und die Zusammenarbeit zwischen kleinen Kliniken und niedergelassenen Ärzten enger wird. Die Finanzierung großer Kliniken soll sich hingegen vor allem nach ihren Leistungen in der spezialisierten Medizin richten. Der Kölner Intensivmediziner Christian Karagiannidis betonte, man wolle erreichen, dass überall in den Kliniken Mindestqualitätsanforderungen umgesetzt würden.

DKG: Unterfinanzierung wird nicht behoben

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft begrüßte den Aufbruch zu Reformen zwar, bezweifelte aber, dass sie zu einer Überwindung des bisherigen Systems führten, wenn nicht als erstes die „Unterfinanzierung“ behoben werde. „Die Reform soll nach Vorstellung der Kommission die aktuellen Mittel nur umverteilen. Basis sind die Zahlen aus dem Jahr 2021. Damit basiert die Finanzreform aber bereits auf einer strukturellen Unterfinanzierung und ist damit im Prinzip schon zu Beginn zum Scheitern verurteilt“, sagte DKG-Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß. Das Budget der Kliniken müsse um mindestens 15 Milliarden Euro bei den Betriebskosten und jährlich vier Milliarden Euro bei den Investitionskosten aufgestockt werden.

Demgegenüber argumentierte der Koordinator der Regierungskommission, der Berliner Psychiater und Klinikleiter Tom Bschor, Deutschland gebe mit rund 13 Prozent des Bruttoinlandsproduktes so viel Geld für das Gesundheitswesen aus wie kaum ein anderes Land. Nirgends seien aber auch die Fallpauschalen so gründlich zur Finanzierungsbasis der Klinikversorgung gemacht worden und hätten ein sich immer schneller drehendes Hamsterrad in Gang gesetzt. „Die Krankenhäuser werden kollabieren, wenn wir das nicht reformieren“, warnte Bschor.

Bettina Markmeyer


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