sozial-Thema

Krankenhäuser

"Richtung stimmt, Reformtiefe nicht"



Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat seine Reformpläne zur künftigen Krankenhausfinanzierung vorgelegt. Er stützt sich dabei auf ein Gutachten, das eine Expertenkommission vorgelegt hat. Die Ansätze stoßen auf ein geteiltes Echo.

Berlin (epd). Im Kern will Gesundheits Lauterbach an den umstrittenen Fallpauschalen zur Finanzierung der Klinikleistungen festhalten. Allerdings wird das Volumen der Vergütungen auf 60 Prozent zurückgefahren. In Zukunft sollen 40 Prozent der Krankenhausbezüge durch ein sogenanntes Vorhaltebudget abgedeckt werden. epd sozial hat Stimmen dazu aus den Verbänden gesammelt:

Verena Bentele, Präsidentin des VdK: „Der Minister hat viele Fehler in der Krankenhausbehandlung richtig benannt, es folgen aber nur zum Teil richtige Schritte daraus. Er hält weiterhin am System der Fallpauschalen fest, auch wenn er es etwas abspeckt. Die Gesundheitsversorgung darf nicht länger am Gewinnstreben der Träger ausgerichtet sein. Maßstab aller ambulanten und stationären Behandlungen muss ausschließlich der gesundheitliche Bedarf der Patienten sein. Die Fallpauschalen gehören abgeschafft. Die Vergütung darf nur der Selbstkostendeckung dienen.“

Christoph Radbruch, Vorsitzender des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes (DEKV): „Die vorgelegten Empfehlungen zur übergreifenden Krankenhausreform sind eine gute Grundlage für die Evolution des Gesundheitssystems. Bei der Umsetzung der Vorschläge ist aber ein Praxischeck der Auswirkungen auf die Versorgung vor Ort zwingend nötig. Ferner braucht es ausreichend Zeit für eine sorgfältige Prüfung der Versorgungs- und Finanzauswirkungen dieser neuen Finanzierungsmaßnahmen. Auch müssen wir uns die Zeit für eine eingehende gesellschaftspolitische Debatte mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen nehmen. Denn bei den krankenhausregulatorischen Maßnahmen liegt meist die Tücke im Detail. Mögliche Fehlanreize zeigen sich häufig erst zeitversetzt und Lücken in der Regelung treten erst bei der Praxisanwendung hervor.“

Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbands Deutschlands (kkvd): „Die Regierungskommission schlägt vor, die Krankenhäuser künftig über ein Zwei-Säulen-Modell bestehend aus Vorhaltepauschalen und einer mengenabhängigen Komponente zu finanzieren. Das wäre ein wichtiger Fortschritt, mit dem die Daseinsvorsorge und gleichwertige Lebensverhältnisse in der Gesundheitsversorgung gut abgesichert werden können. Gleichzeitig ist es sinnvoll, die Wirtschaftlichkeit nicht völlig außer Acht zu lassen. Diesem Prinzip folgen die freigemeinnützigen Einrichtungen von je her, vor allem da kirchliche Krankenhäuser gerade auch in strukturschwachen Regionen die Gesundheitsversorgung sicherstellen. Daher fühlen wir uns mit den Vorschlägen der Regierungskommission bestärkt und unterstützt.“

Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats (DPR): „Der sichtbar fehlerhafte Anreiz des Fallpauschalensystems, immer mehr Leistungen zu erbringen, wird unterbrochen. Das entlastet die beruflich Pflegenden. Der Weg der skizzierten Krankenhausreform ist aus Sicht des Deutschen Pflegerats vorstellbar. Sie darf jedoch nicht Halt machen an reinen Strukturänderungen im Krankenhausbereich. Der Deutsche Pflegerat unterstützt diesen Prozess gerne.“

Sylvia Bühler, Vorstand der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di): „Die Empfehlungen der Regierungskommission gehen zwar in die richtige Richtung, aber noch nicht weit genug. Die Abkehr vom durchökonomisierten System der Krankenhausfinanzierung ist eingeleitet. Die vom Bundesgesundheitsminister angekündigte Abschaffung des Fallpauschalensystems ist allerdings noch nicht in Sicht, hier ist die Kommission eindeutig zu kurz gesprungen. Krankenhäuser sind ein elementarer Bereich der Daseinsvorsorge, da passt ein System, das auf Gewinn aufbaut, einfach vorne und hinten nicht.“

Gerald Gaß, Vorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG): „Unser Fazit zu den Vorschlägen der Kommission lautet: Grundsätzlich richtige Gedanken zur Novellierung der Finanzierung, aber deutlich zu kurz gesprungen, weil die Hybrid-DRGs zur Ambulantisierung am Krankenhaus, die strukturelle Unterfinanzierung und die Defizite bei der Investitionsförderung schlicht ausgeblendet werden. Die nächsten Monate werden von einem nicht einfachen Diskussionsprozess von Bund, Ländern und den umsetzenden Verbänden und Akteuren geprägt sein. Wir Krankenhäuser stehen für diesen Prozess bereit. Aber uns läuft auch die Zeit davon. Krankenhäuser brauchen verlässliche Perspektiven und Planungssicherheit. Die aktuelle Lage ist eher trostlos.“

Klaus Emmerich, Bündnis Klinikrettung: „Die Vorschläge der Regierungskommission zielen nicht darauf ab, die Krankenhäuser tatsächlich ausreichend zu finanzieren. Es geht lediglich darum, die knappen finanziellen Ressourcen zu verschieben. Die vorgesehenen Vorhaltekosten werden dem Budget für DRG-Fallpauschalen entzogen. Das ist ein Nullsummenspiel, bundesweit wird es nicht mehr Geld für die Krankenhäuser geben. Neue Vergütungsmodelle wie die tagesstationäre Behandlung und Hybrid-DRGs bedeuten einen zusätzlichen, ungeheuren Bürokratieaufwand, der das Krankenhauspersonal noch weiter belasten wird.“

Dirk Baas


Mehr zum Thema

Lauterbach: Mehr Medizin und weniger Ökonomie in Kliniken

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Finanzierung der Krankenhäuser reformieren. Eine Basisvergütung soll neben das Fallpauschalen-System treten. Das soll den ökonomischen Druck mindern in kleinen wie großen Krankenhäusern. Doch das Grundproblem bleibt ungelöst: Knappe Gelder werden nur anders verteilt.

» Hier weiterlesen

Vor- und Nachteile der Fallpauschalen

Hamburg, Berlin (epd). Die Fallpauschalen oder „diagnosis related groups“ (DRG) sollten bei ihrer Einführung im Jahr 2004 das Gesundheitssystem effizienter machen. Das DRG-System regelt, dass ein Krankenhaus für einen Behandlungsfall abhängig von der jeweiligen Diagnose einen festen Betrag erhält.

» Hier weiterlesen