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Vor- und Nachteile der Fallpauschalen



Hamburg, Berlin (epd). Die Fallpauschalen oder „diagnosis related groups“ (DRG) sollten bei ihrer Einführung im Jahr 2004 das Gesundheitssystem effizienter machen. Das DRG-System regelt, dass ein Krankenhaus für einen Behandlungsfall abhängig von der jeweiligen Diagnose einen festen Betrag erhält.

Für die Implantierung eines Defibrillators in einer Herzkammer erhielt eine Klinik im Jahr 2022 demzufolge in der Regel 5.187 Euro, für eine Lungentransplantation 24.720 Euro. Mit diesen Fallpauschalen muss eine Klinik auskommen. Das bedeutet: Kann sie einen Patienten recht schnell wieder entlassen, macht sie Gewinn, muss er länger bleiben, legt sie drauf.

Durchschnittliche Verweildauer

Die Fallpauschalen sollten unter anderem die Liegezeiten in Krankenhäusern reduzieren. Vor 2004 wurden Krankenhäuser für jeden Tag bezahlt, den eine Patientin oder ein Patient in einem ihrer Betten lag. Ob dieses Reduktionsziel erreicht wurde, ist unklar. Laut einer Studie der Universität Hamburg sank die durchschnittliche Verweildauer seit der DRG-Einführung zwar. Sie war allerdings schon vorher im Sinken begriffen, und sie sank davor sogar schneller als danach.

In anderen Bereichen habe das DRG-System durchaus für mehr Sparsamkeit gesorgt, erklärt die Politologin Ricarda Milstein, Mitarbeiterin am Lehrstuhl Management im Gesundheitswesen der Uni Hamburg: „Das hat schon einen Anreiz geschaffen, besser mit finanziellen Ressourcen umzugehen.“ Durch das Kodiersystem, in das die Behandlungsfälle in den Kliniken einsortiert werden, seien die Krankenhäuser auch transparenter geworden.

Kritiker weisen allerdings schon lange darauf hin, dass das DRG-System zu teuren Fehlanreizen führt. So zeigt beispielsweise ein Gutachten des GKV-Spitzenverbands aus dem Jahr 2012, dass seit Einführung der Fallpauschalen die Zahl der behandelten Fälle gestiegen ist - und zwar so stark, dass sich dieser Anstieg mit einer immer älter und kränker werdenden Bevölkerung allein nicht erklären lässt.

Mühe mit Fallpauschalen

Andere Untersuchungen, etwa der Uni Düsseldorf, deuten auf das sogenannte Upcoding hin. Krankenhäuser gruppieren demnach Patienten unter Umständen in Diagnosegruppen ein, die besser vergütet werden.

„Qualität ist kein Bestandteil des DRG-Systems“, kritisiert Milstein weiter, „alle Krankenhäuser werden gleich behandelt.“ Kliniken der Maximalversorgung, die oft komplizierte und schwierige Fälle behandeln, haben daher Mühe, mit den Fallpauschalen auszukommen.

Die Auslastung von Herzkatheterlaboren oder orthopädischen Abteilungen lässt sich in der Regel gut planen, was für stabile Erlöse sorgt. Das DRG-System zwinge Klinken daher „zum Aufbau von Spezialabteilungen, obwohl diese in der Region bereits vorhanden sind“, kritisiert die Ärztegewerkschaft Marburger Bund.

Zugleich führe das System dazu, dass beispielsweise Geburtshilfe- und Kinderstationen kaum zu finanzieren seien. Deren Auslastung ist schlecht planbar, ihre Vorhaltekosten bleiben aber auch bei geringen Fallzahlen fast gleich. Zuletzt beschloss der Bundestag dreistellige Millionenzuschüsse für die Geburtshilfe und die unterfinanzierten Kinderkliniken, in denen zudem wegen einer Welle von Atemwegserkrankungen derzeit akuter Personal- und Bettenmangel herrscht. Nach den Worten von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist das der erste Schritt zur Abschaffung der Fallpauschalen in der Kinderheilkunde.

Verdacht: Personalmangel verschlimmert

Die Hamburger Forscherin Milstein verweist allerdings darauf, dass es für diese Zusammenhänge kaum wissenschaftliche Belege gebe. Insbesondere für die Schließung von Geburtshilfestationen kämen auch andere Faktoren in Betracht.

Das DRG-System steht auch im Verdacht, den Personalmangel in der Pflege mitverursacht oder verschlimmert zu haben. Kliniken können ihre Erlöse steigern, wenn sie ihre Aufwendungen für ihre Fälle reduzieren - zum Beispiel in der Pflege. Denn ärztliches Personal bringt Geld ein, wenn es Diagnosen stellt. Pflegepersonal hingegen kostet nur.

Auch für diesen Vorwurf gibt es nach Auskunft Milsteins aber keine eindeutige Bestätigung aus der Forschung. Milstein gibt außerdem zu bedenken, dass es mittlerweile mit den Pflegeuntergrenzen einen Mechanismus gebe, der allzu großen Personalabbau in der Pflege verhindere.

Das DRG-System biete durchaus Vorteile, sagt Milstein. Deutschland verlasse sich aber bei der Klinikfinanzierung zu sehr darauf. Andere Länder modifizierten ihre Fallpauschalen in der Vergangenheit, um die Nachteile des Systems einzuhegen.

Nils Sandrisser


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