Berlin (epd). Die Absage des Bundesgesundheitsministeriums an eine Verlängerung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht stößt bei Fachverbänden auf breite Zustimmung. Ein Ministeriumssprecher sagte am 22. November in Berlin, es entfalle die medizinische Begründung für eine diese Vorschrift. Fachverbände nahmen diese Entscheidung mit Erleichterung auf. Sie hatten sich schon länger für ein Ende der stets umstrittenen Regelung eingesetzt, die zu viel Bürokratie und personellem Mehraufwand in den Heimen geführt hatte.
Der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste, Bernd Meurer, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Dienstag, es sei richtig, dass die Impfpflicht ende. „Die einrichtungsbezogene Impfpflicht hätte nur als erster Schritt hin zu einer allgemeinen Impfpflicht Wirkung entfalten können. Da diese nicht eingeführt wurde, geriet sie zu einer nutzlosen Erschwernis für die ohnehin gebeutelte Pflege“, sagte er.
Seit Mitte März galt für das Personal in Gesundheits-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen eine Pflicht, sich gegen das Coronavirus Sars-Cov2 impfen zu lassen. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht wurde bis Jahresende befristet. Wird sie nicht verlängert, läuft sie automatisch aus.
„Wir rechnen damit, dass zum Jahreswechsel die Variante BQ1.1 oder ähnliche Varianten das Infektionsgeschehen dominieren werden“, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums auf Anfrage in Berlin. Die Impfungen verhinderten dann zwar immer noch eine schwere Erkrankung, aber wohl nur noch begrenzt eine Übertragung des Virus: „Deshalb entfällt für die einrichtungsbezogene Impfpflicht die medizinische Begründung.“
Wilfried Wesemann, Vorsitzender des Deutschen Evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege, verwies darauf, dass in den Pflegeeinrichtungen die Impfquote bereits vor der Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht teilweise über 90 Prozent gelegen habe. „Bei der bürokratischen Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht in den Heimen und Diensten wurden die ohnehin schon knappen Personalressourcen weiter unnötig reduziert.“ Dadurch sei weder die Sicherheit in Bezug auf den Infektionsschutz noch die Betreuungsqualität gesteigert worden, so der Verbandschef. „Wir wünschen uns bei künftigen Entscheidungen für die Pflege mehr Bedacht, Wertschätzung und Einbeziehung der Pflegeexpertise.“
Der Verband katholischer Altenhilfe in Deutschland begrüßte die Entscheidung der Bundesregierung. Geschäftsführer Andreas Wedeking plädierte dafür, es sollte jedem Mitarbeitenden „selbst überlassen bleiben, sich vor einem erhöhten Infektionsrisiko mittels Impfung zu schützen oder nicht“. Dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht auslaufe, „nimmt viel Druck aus der ohnehin überlasteten Pflegebranche“, sagte er dem epd.
„Die veränderte medizinische Lage rechtfertigt heute die Aufhebung der Impfpflicht“, sagte von BIVA-Vorsitzender Manfred Stegger auf Nachfrage. Das dürfe aber nicht dazu führen, dass Impfungen generell in Misskredit gebracht würden. „Vielmehr muss der Blick dafür geschärft werden, dass gerade vulnerable Gruppen durch eigene Impfung und die ihrer Bezugspersonen geschützt werden können, vor Corona wie auch vor anderen Krankheiten wie der Grippe.“ Die Impfanstrengungen in den Heimen seien bereits vor der Pandemie nicht ausreichend gewesen.
Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hieß die Ankündigung der Bundesregierung gut. Ihr Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß sagte, eine andere Entscheidung wäre nicht mehr erklärbar gewesen. „Heute wissen wir, dass die Impfstoffe zwar die Geimpften gut gegen schwere Verläufe schützen, unter den Omikron-Varianten aber die Ansteckung und Weitergabe nicht verhindern.“ Es sei deshalb gut und richtig, die Impfpflicht jetzt zu beenden. „Aber es bleibt der Beigeschmack, dass diese Entscheidung viel zu lange gedauert hat“, rügte Gaß.