sozial-Politik

Energiekosten

Sozialträger klagen über schwierige Nachverhandlungen



München, Erfurt (epd). Der Bundesverband privater Anbieter soziale Dienste (bpa) in Bayern wirft Pflegekassen und Sozialhilfeträgern vor, bei Verhandlungen über die Kostenübernahme gestiegener Energiepreise eine Blockadehaltung einzunehmen. Pflegeeinrichtungen müssten sich immer häufiger in komplizierte Schiedsstellenverfahren begeben, um die aktuellen Steigerungen bei den Preisen gegenüber den Kostenträgern durchzusetzen, kritisierte der Verband am 12. August in einer Mitteilung. Auch die Diakonie Bayern stellte fest, dass Nachverhandlungen oft schwierig seien. Aus Thüringen kommt der Appell, dass der Staat Sozialeinrichtungen helfen muss, die Mehrkosten zu schultern.

Die Kostenträger würden Verhandlungen „mit teilweise absurden Argumenten“ abblocken, sagte bpa-Landesvorsitzender Kai A. Kasri. In den Begründungen werde behauptet, der drastische Anstieg der Energiepreise sei absehbar gewesen und hätte von den Pflegeeinrichtungen schon bei früheren Verhandlungen eingeplant werden müssen.

Höhere Pauschalen wegen der Inflation abgelehnt

In den Entgeltverhandlungen im vergangenen Jahr hätten die Kostenträger eine höhere Pauschale wegen der Inflation abgelehnt, sagte der Vorstand der Diakonie Bayern, Wolfgang Janowsky, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Damals sei die Inflation als „vorübergehendes Phänomen“ abgetan worden.

Bei den jetzt nötigen Wünschen nach einem finanziellen Nachschlag ergebe sich in den bayerischen Bezirken ein sehr unterschiedliches Bild. Während manche Bezirke Träger aufforderten, ihre Verträge zu kündigen und die Mehrkosten bei neuen Verhandlungen nachzuweisen, zeigten sich andere zum Nachverhandeln bereit.

„Bedrohliche Lage in Thüringen“

Geradezu bedrohlich werde die Lage, wenn ab Oktober die hohen Einkaufspreise für Erdgas an die Verbraucher weitergegeben werden, so die Liga Thüringen, der Dachverband der Wohlfahrtsverbände. Wenn dann noch Anfang nächsten Jahres die Energierechnungen bei den Einrichtungen landen, „wird die Lage schnell existenzgefährdend“.

Betroffen seien Kitas und Jugendhilfeangebote ebenso wie Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, alte oder geflüchtete Menschen, ambulante Dienste und Beratungsstellen ebenso wie stationäre Einrichtungen.

Die LIGA Thüringen forderte von Land und Bund, den Einrichtungen finanziell unter die Arme zu greifen. „In den Vergütungen und Zuschüssen, die soziale Einrichtungen erhalten, ist die aktuell ungeahnt hohe Inflation aufgrund des Ukraine-Kriegs nicht vorgesehen. Sie werden oft auf Jahre im Voraus festgelegt und reichen nun nicht mehr aus“, heißt es in der Mitteilung.

Hinzu komme, dass gemeinnützige Organisationen kaum Rücklagen für Krisensituationen bilden können und viele schon durch die Corona-Pandemie deutliche finanzielle Einbußen hatten. „Damit ist die soziale Infrastruktur in Thüringen gefährdet, denn die sozialen Einrichtungen können sich nicht nur aus eigener Kraft aus dieser Lage befreien.“

Verband geht Pflegekassen an

„Wenn sich Gasrechnungen innerhalb weniger Wochen verzehnfachen, kommen selbst solide Pflegeeinrichtungen in Existenznöte“, sagte der schleswig-holsteinische bpa-Landesvorsitzende Mathias Steinbuck am 17. August. Für einzelne stationäre Einrichtungen kletterten die monatlichen Abschläge derzeit zum Beispiel von gut 6.000 Euro auf demnächst weit über 40.000 Euro an. In den Verhandlungen träfen die Einrichtungen dann auf Kostenträger, die diese Steigerung der Sachkostenrefinanzierung verweigern und stattdessen Tipps zur energetischen Sanierung geben wollen.

Diese Entwicklung habe niemand vorhersehen können. Die Kostenträger in Schleswig-Holstein hätten das Problem noch nicht erkannt und verweigerten bisher Gespräche über eine Erhöhung der Sachkosten von Pflegeeinrichtungen auch im Rahmen von laufenden Vergütungsvereinbarungen, so Steinbuck.



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