Berlin (epd). Die Mindestlöhne für Altenpflegekräfte sollen in drei Schritten spürbar steigen. Die Pflegemindestlohnkommission einigte sich auf eine Anhebung bis zum 1. Dezember 2023, wie das Bundesgesundheitsministerium und das Arbeitsministerium am 8. Februar in Berlin mitteilten. Außerdem empfiehlt die Kommission, von diesem Jahr an die Urlaubstage um zunächst sieben und dann um neun Tage für Vollzeitkräfte zu erhöhen. Sozial- und Fachverbände begrüßten die Einigung überwiegend, mahnten aber weitere Verbesserungen der Arbeitsbedingungen an. Ähnlich äußerte sich die Gewerkschaft ver.di.
In der Altenpflege gibt es drei unterschiedlich hohe Mindestlöhne für ungelernte und ausgebildete Assistenzkräfte sowie für die Fachkräfte. Der Mindestlohn für Fachkräfte soll von derzeit 15 Euro pro Stunde zunächst ab September auf 17,10 Euro steigen. Dann ab dem 1. Mai auf 17,65 Euro und ab 1. Dezember 2023 schließlich auf 18,25 Euro. Das bedeutet nach Angaben von ver.di bei einer 40-Stunden-Woche ein Grundentgelt von 3.174 Euro monatlich.
Für ausgebildete Hilfskräfte ist eine Erhöhung von derzeit 12,50 Euro auf in der Endstufe 15,25 Euro je Stunde vorgesehen, für Ungelernte von 12 Euro auf 14,15 Euro. Wie bereits vereinbart, steigen die Lohnuntergrenzen vor September noch einmal zum 1. April. Der Pflegemindestlohn liegt über dem gesetzlichen Mindestlohn, der zur Zeit 9,82 Euro pro Stunde beträgt und nach den Plänen der Ampel-Koalition zum Oktober auf 12 Euro angehoben werden soll.
Diese Vorgaben sind auch deswegen von Relevanz, weil ab 1. September dieses Jahres nur noch Versorgungsverträge mit Einrichtungen geschlossen werden dürfen, die ihren Pflegekräften Entlohnungen zahlen, die in Tarifverträgen oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbart sind.
Die im Bundesarbeitsministerium für die Pflegekommission zuständige Beauftragte Cornelia Prüfer-Storcks sprach von der bisher stärksten Mindestlohnanhebung für Altenpflegekräfte. Der Mehrurlaub sei ein deutliches Signal für bessere Arbeitsbedingungen, insbesondere vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, sagte die frühere Hamburger Gesundheitssenatorin.
Die Diakonie und ihre Fachverbände begrüßten die Beschlüsse. Vorständin Maria Loheide betonte jedoch, für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen sei es zwingend erforderlich, die Personalausstattung weiter zu verbessern. „Nur eine echte Entlastung der Pflegekräfte stärkt langfristig die Attraktivität der Pflegeberufe, verhindert Überlastungen und Abwanderungen.“
Wilfried Wesemann, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege: „Über 600.000 Menschen arbeiten in Deutschland in der Altenpflege - etwa ein Drittel davon in diakonischen Einrichtungen. Wir freuen uns, dass die Beschäftigten in der Altenpflege nun branchenweit von attraktiven Bedingungen profitieren können.“ Im Zusammenspiel mit der ab September geltenden Tarifpflicht in der Altenpflege, die Tarifbindung zu einer Voraussetzung für den Abschluss von Versorgungsverträgen mit den Kostenträgern macht, würden die Arbeitsbedingungen nun weiter nach unten abgesichert.
„Wir geben zu bedenken, dass ein höheres Gehalt allein die Pflegekräfte nicht im Beruf halten wird. Hierzu braucht es einen ernstgemeinten Willen und Handlungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege“, sagte Niedersachsens Diakoniechef Hans-Joachim Lenke. „Dazu gehört eine bessere Personalausstattung. Unsere Pflegekräfte brauchen deutliche und verlässliche Entlastung in ihrer Arbeit, dann ist sie auch wieder sinnstiftender und zufriedenstellend.“ Zudem dürfe die Erhöhung des Eigenanteils in der Pflege nicht aus dem Blick verloren werden. „Eine Verbesserung der Vergütung bedeutet häufig eine stärkere Belastung der pflegebedürftigen Menschen. Die derzeitigen gesetzlichen Regelungen zur Begrenzung der Eigenanteile bedürfen erheblicher Nachbesserungen“, betonte Lenke weiter.
Klärungsbedarf sieht die Arbeiterwohlfahrt (AWO). „Die Kassen haben, ebenfalls in dieser Woche, erstmalig eine Übersicht über die geltenden Tarifverträge und eine Berechnung der Durchschnittslöhne in der Altenpflege nach Bundesländern veröffentlicht. Ab September wird auch für nicht-tarifgebundene Einrichtungen mindestens die Orientierung an diesen Werten zu einer Zulassungsvoraussetzung werden. Somit existieren de facto zwei Regelwerke für die Bezahlung von Pflegekräften unabhängig nebeneinander“, so Gero Kettler, Geschäftsführer des Arbeitgeberverband AWO Deutschland. Das zeige einmal mehr, wie sinnvoll alternativ ein flächendeckender Tarifvertrag wäre.
Die Gewerkschaft ver.di sieht das Grundproblem in der Altenpflege auch durch die jetzt empfohlenen beachtlichen Steigerungen des Pflegemindestlohnes nicht gelöst. „Die empfohlenen Steigerungen sind nicht gering, aber über einen Mindestlohn sind die Personalprobleme in der Altenpflege nicht zu lösen“, sagte ver.di-Vorständin Sylvia Bühler. Weder mache dieses Lohnniveau den Pflegeberuf attraktiv, noch werde dadurch das Abwandern von Pflegefachpersonen ins Krankenhaus gestoppt. „Der Mindestlohn sorgt ausschließlich dafür, eine jahrelang praktizierte Ausbeutung vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vor allem bei kommerziellen Pflegekonzernen zu verhindern.“
„Wir sind froh, dass es in der Pflegebranche nun insbesondere im nicht tarifgebundenen Bereich zu einem deutlichen Anstieg der Löhne kommt. Dennoch mahnen wir beim Gesetzgeber dringend eine Regelung an, wie diese zusätzlichen Kosten verteilt werden sollen“, sagte DRK-Generalsekretär Christian Reuter, der der Pflegekommission angehört. Die Erhöhungen seien für die Träger eine extreme Belastung, weil diese Anhebung nicht durch die gesetzliche Pflegeversicherung abgedeckt werde. Es drohe die Gefahr, dass Mehrkosten von den Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen getragen werden müssten.
Empfehlungen der Pflegemindestlohnkommission werden vom Bundesarbeitsministerium per Verordnung umgesetzt. Die Kommission ist paritätisch besetzt mit Vertretern der privaten, gemeinnützigen und kirchlichen Pflegeeinrichtungen.