sozial-Politik

Sterbehilfe

Sozialethiker Lob-Hüdepohl befürchtet Normalisierung



Viel diskutiert: Mit Fragen rund um die Sterbehilfe hat sich eine Tagung in Wittenberg befasst. Sowohl die katholische als auch die evangelische Perspektive setzen auf Suizidprävention und Begleitung von Menschen mit einem Todeswunsch.

Wittenberg (epd). Der katholische Theologe und Sozialethiker Andreas Lob-Hüdepohl sorgt sich in der Debatte über Sterbehilfe vor einer möglichen emotionalen Normalisierung von Suizid und Suizidbeihilfe in der Gesellschaft. Es bestehe die Gefahr der Gewöhnung an eine solche „Exit-Option“, sagte Lob-Hüdepohl am 9. Februar bei einer Tagung zum Thema Sterbehilfe in der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt in Wittenberg. Trete eine solche Normalisierung ein, könnte es passieren, dass die Lebenssituation von Menschen, die einen Todeswunsch hegten, gar nicht mehr in den Blick genommen würde.

Es sei die große Aufgabe der Kirche, eine Suizidalitätsbegleitung zu betreiben und die „Sichtachsen des Lebens und die Lebensbindung der Betroffenen zu stärken“, sagte das Mitglied des Deutschen Ethikrates. Man müsse alles dafür tun, um Suizide in umfassender Form zu verhindern, gerade auch mit Blick auf Kinder und Jugendliche. Eine lebensbejahende Gesellschaft müsse Selbsttötungen zwar akzeptieren, aber diese eben als die höchst dramatischen Situationen anerkennen, die sie seien.

Lilie: Gibt keine schnellen und plakativen Lösungen

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie plädierte auf der Veranstaltung für eine umfassende öffentliche Debatte zum Thema Sterbehilfe und assistierter Suizid. Es werde keine schnellen und plakativen Antworten auf dieses komplexe Thema geben können, sagte er. Überzeugende Lösungen könnten erst dann gefunden werden, wenn diese auf einem breiten gesellschaftlichen Diskurs basierten. Lilie betonte in diesem Zusammenhang auch eine Notwendigkeit, „Prävention, Lebensschutz und Selbstbestimmung in eine ausgewogene und menschengerechte Balance zu bringen“.

Zu einem Teil der Sterbehilfe müsse auch gehören, dass Sterbewünsche offen ausgesprochen und bearbeitet werden könnten, erklärte er. Menschen, die ihrem Leben ein Ende setzen wollen, müssten durch multiprofessionelle Teams begleitet werden. „Die Diakonie will Menschen in solchen sehr schwierigen Situationen nicht alleine lassen“, sagte Lilie.

Verfassungsgericht betont Recht auf selbstbestimmtes Sterben

Im Jahr 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht ein umfassendes Recht auf selbstbestimmtes Sterben anerkannt sowie das 2015 verabschiedete Gesetz zum Verbot der „geschäftsmäßigen“ Förderung der Selbsttötung gekippt. Aktive Sterbehilfe, etwa in Form von der Verabreichung eines tödlichen Medikaments, wird in Deutschland als Tötung auf Verlangen gewertet und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet werden. In Ländern wie Luxemburg, Belgien oder den Niederlanden ist aktive Sterbehilfe hingegen erlaubt.

Unter einem assistierten Suizid wird die Beschaffung oder Bereitstellung eines todbringenden Mittels verstanden, das von der sterbewilligen Person selbstständig und freiwillig genommen wird. Ein Suizid selbst ist hierzulande nicht strafbar, ebenso wenig ist es die Beihilfe bei einem Suizid.

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2020 ringt die Politik um einen Umgang mit der Thematik. Ende Januar hatten Abgeordnete von SPD, FDP, Grünen, Union und Linken im Bundestag einen Gesetzesentwurf zur Regulierung der Hilfe bei der Selbsttötung vorgestellt.

Lisa Konstantinidis