Kassel (epd). Osteuropäischen Betreuungskräften in deutschen Seniorenhaushalten steht laut DGB-Jurist Thomas Heller schon seit Jahren der gesetzliche Mindestlohn zu. Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem am 24. Juni verkündeten Urteil im Fall einer nach Deutschland vermittelten bulgarischen Pflegekraft klarstellte, müssen die Betroffenen unbezahlte Arbeitsstunden nicht hinnehmen. „Viele haben aber Angst, ihren Arbeitgeber daraufhin zu verklagen“, sagte Heller von der DGB Rechtsschutz GmbH in Kassel dem Evangelischen Pressedienst (epd). Heller hatte die bulgarische Klägerin vor Gericht vertreten.
Wer den Mund aufmacht, müsse damit rechnen, dass sich dies in der Branche herumspricht und eine Pflegekraft dann keinen Job mehr erhält. „Hier hat die Klägerin den Mut gefasst, gegen ihre bulgarischen Arbeitgeber vorzugehen und die volle Vergütung für ihre Leistung gefordert“, sagte Heller.
„Dass Pflegekräfte nach ihrer Entsendung nach Deutschland für ihre Arbeit Anspruch auf den Mindestlohn haben, ist eigentlich nichts Neues“, sagte der Jurist. Das bundesweit beachtete Verfahren lege aber den Finger in die Wunde, dass bei ausländischen Arbeitgebern angestellte und in deutsche Familien vermittelte Pflegekräfte nicht ausreichend bezahlt geschweige denn bei ihnen die gesetzlichen Arbeitszeiten eingehalten werden.
Zwar ist laut Heller der Arbeitgeber nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs verpflichtet, die Arbeitszeiten zu dokumentieren. „Kommt der Arbeitgeber dem nicht nach, ist die Arbeitszeit bei einem Pflege- und Betreuungseinsatz in einem Privathaushalt schwer zu beweisen“, sagte Heller. Konsequenzen habe die unterbliebene Arbeitszeitdokumentation für den Arbeitgeber nicht wirklich. Er werde belohnt, indem Pflegekräfte letztlich unbezahlte Arbeit leisteten. Im Streitfall hatte die bulgarische Pflegekraft angeführt, über Monate 24 Stunden täglich, sieben Tage die Woche eine über 90-jährige Frau betreut zu haben.
Das BAG sah das als nicht belegt an, auch wenn das Gericht davon ausging, dass die vereinbarten 30 Wochenstunden wohl überschritten worden seien und damit ein Lohnnachschlag bestehe. „Nun muss wohl das Landesarbeitsgericht Berlin im Wege der Schätzung die tatsächliche Arbeitszeit neu bestimmen“, sagte Heller.
Dazu könnten die eigentlichen Arbeitsaufgaben aber auch der Schriftwechsel zwischen Arbeitgeber und der betreuten Frau herangezogen werden. So habe hier der Arbeitgeber der betreuten Frau mitgeteilt, dass die Pflegekraft nur einen freien Tag pro Woche habe. Dieser könne auch auf einzelne freie Stunden verteilt werden. „Das weist schon auf eine dauernde Bereitschaft der Klägerin hin“, sagte Heller.