Berlin (epd). Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Juni, wonach ausländische Betreuungskräfte in deutschen Seniorenhaushalten Anspruch auf Mindestlohn haben, stellt das System der flächendeckenden illegalen Beschäftigung in diesem Bereich grundsätzlich in Frage. Maria Loheide, Vorstandsmitglied des diakonischen Bundesverbandes, begrüßt im Interview des Evangelischen Pressedienstes (epd), „dass hier Licht ins Dunkel kommt“. Die Fragen stellte Markus Jantzer.
epd sozial: Welche Folgen hat das BAG-Urteil auf die häusliche Pflege in Deutschland: für die 24-Stunden-Betreuung, bei der die ausländische Betreuungskraft gemeinsam mit dem Pflegebedürftigen unter einem Dach lebt (sogenannte Live-in-Betreuung), und für die professionellen ambulanten Pflegedienste?
Maria Loheide: Das System der Live-in-Betreuung muss endlich auf den Prüfstand und auf die politische Tagesordnung. Das ist für alle Beteiligten wichtig und gut. Es ist für die betroffenen Betreuungskräfte eine unzulässige und unerträgliche Situation. Die meisten pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen entscheiden sich aus einer akuten Not für ein solches Arbeitsverhältnis und sehen keine bessere Alternative. Viele unserer ambulanten Pflegedienste klagen seit Jahren über diese intransparenten Pflege- und Betreuungsverhältnisse. Es gibt keine Kontrolle der Versorgungsqualität, und aufgrund der Illegalität ist eine konkrete Zusammenarbeit mit ambulanten Pflegediensten enorm erschwert. Es ist gut, dass hier Licht ins Dunkel kommt.
epd: Wie muss die Politik auf das Urteil reagieren?
Loheide: Die Politik ist in zweierlei Richtungen gefordert. Illegale Arbeitsverhältnisse sind in Deutschland unzulässig und dürfen nicht geduldet werden. Ganz wichtig ist zudem, dass endlich ein nachhaltiges Konzept für eine Pflegereform auf den Tisch kommt. Die osteuropäischen Betreuungskräfte in illegalen Arbeitsverhältnissen sind mittlerweile eine wichtige Säule des deutschen Pflegesystems. Das muss sich ändern. Pflege muss auch im häuslichen Umfeld professionell möglich und bezahlbar sein. Dafür braucht es eine echte Pflegereform.
epd: Wen sehen Sie außerdem in der Pflicht?
Loheide: Es ist eine politische Aufgabe, die Pflegeversicherung so zu gestalten, dass pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen die Möglichkeit haben, die Pflege legal und trotzdem selbstbestimmt zu organisieren. Gemeinsam mit anderen Akteuren können sich auch diakonische Träger von Pflegeeinrichtungen für alternative, flexible Betreuungskonzepte einsetzen, in denen osteuropäische Betreuungskräfte in legalen Arbeitsverhältnissen integriert sind. Das Modell „FairCare“ zum Beispiel in Stuttgart ist dafür ein gutes Beispiel.