Halle (epd). Bundesforschungsminister Cem Özdemir (Grüne) hat dazu aufgerufen, die Freiheit der Wissenschaft zu stärken. Es sei ihm wichtig, alle Zweifel auszuräumen, die unter der vorherigen Hausleitung des Bundesforschungsministeriums entstanden seien, sagte er am 21. Februar laut Redemanuskript in Halle. Özdemir nahm dort an der Einführung der neuen Präsidentin der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Bettina Rockenbach, teil.
Özdemir bezog sich damit auf seine Amtsvorgängerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Diese hatte im vergangenen Jahr Konsequenzen für Hochschullehrer geprüft, die pro-palästinensische Proteste unterstützt hatten. Dafür war die damalige Ministerin heftig kritisiert worden.
Ihm sei es von Anfang an darum gegangen, Vertrauen wiederherzustellen, betonte Özdemir. Es gelte, die Freiheit der Wissenschaft unmissverständlich zu schützen. Er verwies auf die Regierung von US-Präsident Donald Trump, die aus seiner Sicht an den Säulen der Gewaltenteilung säge und die Wissenschaft bedränge.
Auch anderenorts gerate die Wissenschaft in Bedrängnis, beklagte der Forschungsminister. Forschung werde instrumentalisiert, unbequeme Forscher würden „mundtot“ gemacht. „In solchen Zeiten müssen wir für die Wissenschaft und ihre Freiheit beherzt eintreten“, forderte Özdemir.
Die Leopoldina bezeichnete er als „elementaren Baustein des deutschen Wissenschaftssystems“ und als „staatstragend“. Sie sei ein „Think Tank“ aus Spitzenforschern, der als Berater der Politik sowie als internationaler Repräsentant der deutschen Wissenschaft benötigt werde.
Die neue Präsidentin der Leopoldina, Bettina Rockenbach, sagte in ihrer Antrittsrede, sie betrachte die Gesellschaftsberatung als Schwerpunkt ihrer künftigen Arbeit. Sie forderte laut Redemanuskript, die Wissenschaft sollte die für eine politische oder gesellschaftliche Entscheidung besonders relevanten Tatsachen und Entscheidungskriterien verständlich kommunizieren.
Gesellschaftsberatung dürfe hingegen nicht missverstanden werden als direkte Partizipation der Bürger bei der Erarbeitung von Stellungnahmen. Zudem dürfe die Wissenschaft Bürger nicht darüber belehren, wie sie sich in einer Art wissenschaftlich betreutem Leben zu verhalten hätten, betonte die neue Präsidentin.
Die Gegenwart sieht Rockenbach durch Stichworte wie „multiple Krise“, „Zeitenwende“ oder „Transformation“ gekennzeichnet. In diesen Zeiten müsse die Leopoldina ihre Empfehlungen so darstellen, dass ihre Adressaten sie nachvollziehen könnten. „Womöglich erreichen wir damit, das Verständnis von Wissenschaft als Einübung einer vernünftigen Haltung in einer Welt der Zielkonflikte zu fördern“, meinte Rockenbach.
Die Professorin für Verhaltensökonomie an der Universität Köln ist ab 1. März neue Präsidentin der Leopoldina mit Sitz in Halle. Ihre Amtszeit beträgt fünf Jahre. Sie folgt auf den Klimaforscher Gerald Haug. Die 1652 gegründeten Wissenschaftsvereinigung Leopoldina mit ihren rund 1.700 Mitgliedern aus nahezu allen Wissenschaftsbereichen vertritt die deutsche Wissenschaft im Ausland und berät Politik sowie Öffentlichkeit.

