Frankfurt a.M. (epd). Seine Filme durchzieht eine Melancholie, die auch heute noch bewegt. „Die Dinge passieren nie, wie wir es erwarten. Das ist das Thema aller meiner Filme“, sagte Claude Sautet (1924-2000) einmal. Er wolle von Gefühlen erzählen, die man ausdrücken, aber nicht erklären könne. Die Werke des französischen Regisseurs haben etwas Zeitloses. Ob „Das Mädchen und der Kommissar“ (1971), „Eine einfache Geschichte“ (1978) oder „Nelly und Monsieur Arnaud“ (1995). Am 23. Februar jährt sich sein Geburtstag zum hundertsten Mal.

Als Regisseur hat er nur 15 Filme gedreht, mit diesen aber das französische Kino geprägt. Mit Sympathie und dem Blick für winzige Details nahm er die Bourgeoisie ins Visier, widmete sich ihren kleinen und großen Dramen. Nie führte er seine Helden und Heldinnen bissig oder sarkastisch vor. In Sautets poetischer Sichtweise konnten sich die Zuschauer gefühlsmäßig wiederfinden. Der deutsche Filmemacher Dominik Graf nannte ihn einen der letzten großen lebensklugen Erfolgsregisseure des französischen Kinos. Für François Truffaut war Claude Sautet der „französischste aller Regisseure“.

Bach und Bildhauerei

Claude Marie Sautet kam am 23. Februar 1924 in dem Provinznest Montrouge südlich von Paris zur Welt, als drittes von vier Kindern einer Mittelschichtfamilie. Zwei Dinge interessierten ihn früh: die Musik von Bach und Bildhauerei. Als Kind sei er sehr zerstreut und schlecht in der Schule gewesen, erklärte Sautet einmal in einem Interview der „tageszeitung“, aber seine Mutter Marguerite habe ihm dies als Ausdruck seiner künstlerischen Natur erklärt.

Er versuchte sich als Bildhauer, kümmerte sich um Kinder von Straffälligen, erfand für sie Geschichten. Und entdeckte schließlich die Sprache des Kinos als sein Medium. An der Pariser Filmhochschule „Idhec“ bekam er einen Studienplatz und merkte, er hatte seine Bestimmung gefunden.

Oft unterschätzt

Sautet begann als Regieassistent, beim Dreh von „Die tolle Residenz“ (1955). Als Regisseur Robert Dhéry zwei Tage vor Drehbeginn ausfiel, übernahm Sautet. 1960 drehte er dann „Der Panther wird gehetzt“ mit Lino Ventura und Jean-Paul Belmondo, eine Gangstergeschichte über Ehre und Freundschaft unter Dieben. Sie wurde ein internationaler Erfolg.

1953 heiratete er die Schauspielerin Graziella Escojido, der gemeinsame Sohn Yves kam 1955 zur Welt. Sautet, schüchtern und uneitel, war das Gegenteil einer Rampensau. Er konnte und mochte sich nicht so gut präsentieren wie etwa François Truffaut oder Jean-Luc Godard und wurde oft unterschätzt.

„Sautet hat mich die Dinge des Lebens gelehrt, er hat mir etwas über mich selbst beigebracht.“ So äußerte sich Romy Schneider über Sautet - den Regisseur, der sie in Frankreich zum Star machte. „Das Mädchen und der Kommissar“ (1971) mit ihr und Michel Piccoli erzählt eine bittere Geschichte um Liebe, Trug und Träume. Ein Jahr zuvor standen beide bereits in Sautets Beziehungstragödie „Die Dinge des Lebens“ (1970) vor der Kamera: Romy Schneider beeindruckt als Hélène Hastig, die Geliebte des erfolgreichen Architekten Bérard (Piccoli). Der will sich trennen, verunglückt mit dem Auto und durchlebt die letzten Stunden seines Lebens mit Erinnerungen, banalen wie bedeutsamen Momenten. Der Film war ein Riesenerfolg im Kino.

Macho Montand

1972 wurde Sautets „César et Rosalie“ als bester französischer Film des Jahres ausgezeichnet. Es ist eine berührende Dreiecksgeschichte, mit Romy Schneider als Rosalie und Yves Montand als César. „Montand und sie, das war Krieg“, erinnerte sich Sautet 1998 an die Arbeit. „Montand war Macho und das hat sich trotzdem sehr reizvoll auf die Dreharbeiten ausgewirkt, weil sie ihn gezähmt hat, wie ein Hündchen.“ Von seiner urkomischen Seite zeigt sich Yves Montand dann 1983 in Sautets „Garçon! Kollege kommt gleich“.

Schon bald galt Claude Sautet als versierter Regiespezialist und wurde von prominenten Kollegen, etwa Louis Malle, bei Drehbuchproblemen um Rat gefragt. Sie schätzten ihn als „Skript-Doktor“. Sautet schrieb auch gern selbst Drehbücher, etwa für Georges Franjus Horrorthriller „Augen ohne Gesicht“ (1960) oder Jacques Derays Gangsterfilm „Borsalino“ (1970) mit Jean-Paul Belmondo und Alain Delon.

In Sautets Filmen geht es immer wieder um Lern- und Reifeprozesse, Glücksmomente wechseln sich ab mit kleinen Tragödien. In der melancholischen Dreiecksgeschichte „Ein Herz im Winter“ (1983) empfängt ein verliebter schüchterner Geiger (Daniel Auteuil) deutliche Blicke von seiner Angebeteten (Emmanuelle Beart). Aber er kann sie nicht erwidern, kann seine Liebe nicht zeigen. „Die Dinge passieren nie, wie wir es erwarten“, Sautets Credo hat sich in seinen Werken bestätigt. Am 22. Juli 2000 erlag er einer Krebserkrankung. Er wurde auf dem Friedhof Montparnasse beigesetzt.