Magdeburg (epd). Der zwölfjährige Zhenja umarmt seine Gesprächspartner bei der Begrüßung. „Er ist eigentlich ein sehr sozialer Mensch“, sagt seine Klassenlehrerein Elke Mähnz. Trotzdem kann sich der Jugendliche nur schwer mit seinen Mitschülern und Lehrern verständigen. Im Mai vergangenen Jahres floh er mit seinen Eltern und Geschwistern aus dem ukrainischen Dnipro, die Familie landete schließlich in Magdeburg. Die dortige Evangelische Sekundarschule nahm den Jungen kurzfristig auf - bis heute ist er hier der einzige Schüler aus der Ukraine.

„Am Anfang gab es fast gar nichts, an das wir anknüpfen konnten“, erinnert sich Elke Mähnz. Zhenja sprach kaum ein Wort Deutsch, musste erst einmal das lateinische Alphabet üben. Immerhin hatte er in der Ukraine schon etwas Englisch gelernt, konnte auf diese Weise mit Schülern und Lehrern kommunizieren. Doch auch jetzt, ein Jahr später, braucht er eine Übersetzerin, mit der er sich auf Russisch verständigt. Im Unterricht nutzt der Sechstklässler ein Tablet, auf dem eine Übersetzungs-App installiert ist.

„Ein bisschen Deutsch hatte ich schon zuhause gelernt“, erzählt der Junge im Gespräch: „Ich konnte auf Deutsch bis zehn zählen.“ Doch nach wie vor komme er im Unterricht nur schwer zurecht, meint seine Klassenlehrerin. In Mathematik, wo die Sprache nicht so entscheidend ist, klappe es einigermaßen. Aber dort, wo Kommunikation auf Deutsch notwendig ist, habe er weiter große Probleme. „In der letzten Zeit gebe ich mir mehr Mühe als vorher“, entgegnet Zhenja. Der Anstoß dazu sei von seinen Eltern gekommen. Sie würden wohl nicht in die Ukraine zurückkehren und richteten sich auf ein dauerhaftes Leben in Deutschland ein, meint Elke Mähnz.

„Es handelt sich nach wie vor um eine sehr herausfordernde Situation im Land“, sagt auch das Bildungsministerium in Sachsen-Anhalt auf Anfrage im Hinblick auf die Integration ukrainischer Schüler. Über 5.700 Ukrainer gehen derzeit in Sachsen-Anhalt zur Schule, darunter fast 2.200 Grundschüler. Knapp über 1.000 Schüler besuchen den Angaben zufolge eine Sekundarschule, die mit der 10. Klasse endet. Zum Vergleich: Fast 1.300 Schüler gehen auf ein Gymnasium.

Nicht alle von ihnen haben eine „Ankunftsklasse“ besucht - laut Bildungsministerium liege dies im Ermessen der Eltern, oder es gebe in der jeweiligen Schule schlicht kein solches Angebot. So war es auch bei Zhenja an der Evangelischen Sekundarschule in Magdeburg. Neben der Übersetzerin hat ihm die Schule eine Förderlehrerin zur Seite gestellt, um dem Jungen beim Erlernen der deutschen Sprache zu helfen. Mittlerweile kümmert sich ein Jugendlicher um ihn, der an der Schule ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) absolviert.

Landesweit wurden laut Bildungsministerium knapp 200 ukrainische Lehrkräfte sowie über 60 Lehrer für Deutsch als Zweitsprache (DaZ) eingestellt, heißt es aus dem Bildungsministerium. Sie würden bedarfsorientiert an den Schulen eingesetzt. Auch die Volkshochschulen und andere Bildungsträger unterstützten die Schulen durch zusätzliche DaZ-Angebote, ebenso die Migrantenorganisationen.

Zhenja hat jedenfalls sehr positive Erfahrungen mit seinem FSJler gemacht, sagt Elke Mähnz. Seitdem sei vieles besser geworden. Am Anfang habe der Junge häufiger den Unterricht gestört, das habe sich mittlerweile gelegt. Auch Zhenja ist zufrieden, wie er erzählt: „Ich habe schon ein paar Freunde gefunden, und überwiegend fühle ich mich hier wohl.“ Schön wäre es aber, wenn noch ein paar Mitschüler aus der Ukraine dazu kämen, meint der Jugendliche. Schulleiter Ferdinand Kiderlen schließt das nicht aus: „Es spricht nichts gegen eine weitere Aufnahme“, sagt er. Zu viele sollten es allerdings nicht werden - das sei auch wieder nicht gut für die Integrationsleistung.