Der Schriftsteller Ingo Schulze hofft darauf, dass sich die Gesellschaft nach Corona solidarischer organisiert. Er habe grundsätzlich die Hoffnung, "dass das kapitalistische Wettbewerbsprinzip, wo es am Platz ist, eingesetzt wird, es aber nicht mehr als für jeden Lebensbereich anzuwendender geheiligter Mechanismus angesehen wird", sagte Schulze dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Erfurt. Im Gesundheitswesen zum Beispiel habe dieses Prinzip nichts zu suchen.

Der Autor nahm in Erfurt an der Aufzeichnung einer Lesung seines neuen Romans "Die rechtschaffenen Mörder" für das Internet teil. Das Buch war für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Wie seine Kollegen treffe auch ihn die Absage aller öffentlichen Auftritte, sagte Schulze. Dennoch dürfe er sich nicht beklagen. "Es gab bisher kein Buch von mir, auf das ich so viele und so schnelle Reaktionen erhielt. Es ist in dieser Woche ziemlich weit oben auf der Bestsellerliste, was mir auch noch nie passiert ist", sagte der 57-Jährige.

Verweis auf Verwerfungen im Osten

Schulzes Roman erzählt die fiktive Geschichte des Dresdner Antiquars Norbert Paulini. Paulini durchlebt die DDR, die politische Wende und die Zeit danach mit ihren Höhen und Tiefen - und wandelt sich dabei immer mehr zum Reaktionär. Trotz der Aktualität des Themas und den Parallelen zur Situation in Dresden ist der Roman für Schulze zunächst Literatur. Einige Leser täten sich aber mit der Fiktion schwer und bestünden auf Historizität, räumte er ein.

Den Erfolg der Rechtpopulisten gerade im Osten vermag Schulze nicht völlig erklären. Aber man könne Dinge auflisten, die diesen Erfolg begünstigten, so der Autor. So habe die schnelle Einführung der D-Mark zu ökonomischen, sozialen, aber natürlich auch biografischen Entwertungen geführt. "Das eigene Selbstverständnis findet sich ausgerechnet in dem Moment, da man freie Medien hat, nicht mehr in der Öffentlichkeit wieder", so Schulze. Verwerfungen in dieser Form habe es im Westen nie gegeben.

Zudem sei der Osten sehr bewusst von Rechtsextremisten als neues Gebiet ausgewählt worden. Die maßgebenden Führungskräfte und das Geld komme aus dem Westen. Wichtiger sei aber, dass Nationalisten und Rassisten den Osten positiv besetzen. "Da wird viel mit Halbwahrheiten gearbeitet, Richtiges steht neben äußerst kruden Dingen - etwa, dass hier die Deutschen noch deutscher, unverdorben von der Internationalisierung, sind", sagte Schulze. Unterm Strich komme stets heraus: Der Osten ist besser als der Westen. Da aber sonst der Osten unentwegt problematisiert werde und sich rechtfertigen müsse, horche man da erst mal auf.