Nach dem verheerenden Dammbruch in einer Eisenerzmine in Brumadinho mischt sich in die Verzweiflung der Menschen Wut - auf das Minenunternehmen Vale und auf die Politik. Immer mehr Einzelheiten kommen jetzt ans Licht, wie Brasiliens größter Bergbaukonzern Sicherheitsrisiken kontinuierlich ignorierte. Experten haben schon lange vor einer "tickenden Zeitbombe" gewarnt. Für den Umweltwissenschaftler Bruno Milanez war der Dammbruch eine Katastrophe mit Ansage. Denn alte Dämme wie die in Brumadinho im Südwesten Brasiliens sind zwar kostengünstig, aber auch mit dem größten Risiko behaftet.

Nach dem Bruch des Damms am Rückhaltebecken der Erzmine Córrego do Feijão am 25. Januar wurden bislang 157 Tote aus den Schlammmassen geborgen. 182 Menschen werden noch vermisst. Für sie gibt es keine Hoffnung mehr. Es ist das Unglück mit den meisten Opfern in der jüngeren brasilianischen Bergbaugeschichte.

Schon mehr als ein halbes Jahr vor dem Unglück haben Ingenieure des mit der Zertifizierung beauftragten TÜV Süd auf die mangelnde Stabilität des 85 Meter hohen Damms hingewiesen. Sensoren, mit denen der Wasserdruck kontrolliert wird, schlugen Alarm. Es gab Probleme mit dem Drainagesystem, wie die Tageszeitung "Folha de São Paulo" unter Berufung auf polizeiliche Vernehmungsprotokolle berichtet.

TÜV warnte

Demnach hat Vale erfolglos versucht, das Problem zu beheben. Danach habe sich der Konzern für ein zeitaufwendiges Ausschreibungsverfahren für die Arbeiten entschieden. Dennoch attestierte der TÜV Süd im September 2018 die "Stabilität" des Damms.

Zwei brasilianische Ingenieure des TÜV Süd wurden wenige Tage nach dem Unglück vorübergehend festgenommen. Sie gaben an, sie seien von Vertretern des Vale-Konzerns unter Druck gesetzt worden, die Sicherheit des Damms zu zertifizieren. In ihrem Abschlussbericht schreiben die beiden Männer aber auch, dass wegen der Stabilitätsprobleme Detonationen im Umfeld des Damms verboten wurden, wie die Zeitschrift "Veba" berichtet.

Daran hat sich Vale aber nicht gehalten, wie viele Anwohner bestätigten. Der gebrochene Damm befindet sich nur einen Kilometer von der Mine Córrego do Feijão entfernt. "Fast jeden Tag gegen drei Uhr nachmittags hörten wir den Lärm von Explosionen", sagt die Anwohnerin Carolina Mora der Zeitschrift. In vielen Häusern, auch in ihrem, seien dadurch Risse in den Wänden entstanden. Etwa 23 Detonationen soll es in dem Minenkomplex pro Monat gegeben haben. Damit wird das Gestein zerkleinert, um das Eisenerz extrahieren zu können.

Die bislang größte Umweltkatastrophe in Brasilien ereignete sich 2015, als ein Damm eines Rückhaltebeckens in dem Ort Mariana, ebenfalls im Bundesstaat Minas Gervais, brach. Damals kamen 19 Menschen ums Leben. Der Vale-Konzern, der weltweit größte Eisenerz-Exporteur, gehörte mit zu den Betreibern der Mine.

Nach dieser Katastrophe haben Wissenschaftler der Staatsanwaltschaft eine Reihe von Vorschlägen für mehr Sicherheit eingereicht. Die meisten Empfehlungen seien nicht umgesetzt worden, sagt Umweltwissenschaftler Milane der "Folia de São Paulo". Einer der Vorschläge war, dass zwischen einem Auffangbecken und der nächsten Wohnsiedlung mindestens zehn Kilometer Entfernung sein müssen. In Brumadinho wären dadurch deutlich weniger Menschen ums Leben gekommen.

3.000 Risiko-Dämme

Vale habe überhaupt kein Interesse, in mehr Sicherheit zu investieren, sagt der auf Zivilschutz spezialisierte Professor Ayrton Bordstein von der Universität in Rio de Janeiro. Die Kosten dafür seien um ein vielfaches höher als die Strafzahlungen, die Vale bei Sicherheitsvergehen leisten müsse.

Die Dämme in Brumadinho und Mariana wurden mit der sogenannten Upstream-Methode errichtet. Sie werden meist in Etappen gebaut, was die Gesamtkonstruktion instabiler und Qualitätskontrollen schwieriger macht. Die Methode gilt inzwischen als veraltet und wird in vielen Ländern nicht mehr angewandt. In Brumadinho war 1976 bei Baubeginn eine ursprüngliche Höhe von 18 Metern für den Damm geplant. Durch zahlreiche Erweiterungen ist der Damm dann auf etwa 85 Meter angewachsen.

Brasiliens Regierung kündigte an, dass es im ganzen Land etwa 3.000 Dämme mit einem "hohen Risiko" gebe, die jetzt zusätzlich geprüft werden sollen. Den Unternehmen wurde allerdings kein Zeitraum für das Monitoring gesetzt und auch keine Verpflichtung für einen Rückbau.