Der Garten ist eine Idylle, hier in den Karpaten im Westen der Slowakei. Stiavnik heißt der kleine Ort, und noch vor einem Jahr hätte niemand geglaubt, dass die Ausläufer der großen Politik einmal bis hierher reichen können. "Die ersten drei Tage nach dem Mord haben wir uns eingeschlossen, wir haben keine Nachrichten verfolgt und es einfach nicht wahrhaben wollen, was passiert ist", sagt Josef Kuciak. Er ist der Vater des Journalisten Ján Kuciak, der vor einem Jahr, am 21. Februar 2018, ermordet wurde. Der 27-jährige Investigativreporter des Nachrichtenportals "Aktuality.sk" hatte zuletzt zu Verstrickungen zwischen organisiertem Verbrechen und Politik in der Slowakei recherchiert.

Jetzt sitzt der Vater mit einer Tasse Kaffee im Gartenhäuschen in Stiavnik, der Schmerz ist ihm ins Gesicht geschrieben. "Erst nach diesen ersten drei Tagen habe ich langsam mitbekommen, dass die ganze Welt auf den Mord reagiert."

In der Slowakei hat der Tod des Reporters für ein Erdbeben gesorgt, in dessen Folge der Regierungschef Robert Fico, zwei Minister und der Polizeipräsident zurücktreten mussten. Die Dimension des Falls zeichnete sich schon an dem Tag ab, als die Leichen des Reporters und seiner Verlobten Martina Kusnirova gefunden wurden, dem 25. Februar: "Sie wurden getötet mit Schüssen in Brust und Kopf. Wahrscheinlich hängt der Mord mit seiner journalistischen Tätigkeit zusammen", sagte der damalige Polizeichef auf einer Pressekonferenz.

Systematisch ausgespäht

Ján Kuciak galt als einer der geschicktesten Enthüllungsreporter des Landes. Er deckte Skandale auf, die bis in die hohe Politik hinein reichen. "Über seine Arbeit haben wir nicht viel gesprochen", sagt sein Vater im Rückblick, "und wenn ich ihn gefragt habe, was er so macht, hat er geantwortet: 'Hey, das ist streng geheim!' Er hat da immer Witze darüber gemacht. Dass etwas geschehen könnte, hat er sich selbst nie eingestanden."

Nach dem Mord kam nach und nach heraus, dass Ján Kuciak offenbar über Wochen hinweg systematisch ausgespäht worden ist, bevor er dann in seinem Haus, das er gerade gekauft hatte und noch renovieren wollte, erschossen worden ist. Seine Verlobte, eine Archäologin, sollte eigentlich auf Ausgrabungsarbeiten sein, die aber wegen des schlechten Wetters abgesagt wurden.

Ein halbes Jahr lang hat die slowakische Polizei ermittelt, bis sie den Täter fassen konnte: Ein Mann, der früher als Söldner gearbeitet hatte, hat den Mord inzwischen gestanden. Ein paar Zehntausend Euro bekam er dafür - Auftraggeber soll ein Unternehmer sein, der dubiose Geschäfte mit der Unterwelt machte und bis in die höchsten Etagen der Politik gut vernetzt ist. Zu dessen Machenschaften hatte Kuciak immer wieder recherchiert. Es ist den Ermittlern allerdings bisher nicht gelungen, die Anstiftung zum Mord wasserdicht nachzuweisen; der Beschuldigte sitzt derzeit wegen anderer Delikte im Gefängnis.

Josef Kuciak, der Vater, der zum Zeitpunkt des Mordes gerade erst in Rente gegangen war, kämpft jetzt für das Vermächtnis seines Sohnes. Ein Museum für die Pressefreiheit könnte in seinem Haus eingerichtet werden, so überlegen derzeit viele Slowaken. "Ich wäre schon froh, wenn so ein Mord nicht mehr vorkommt", sagt Josef Kuciak und fügt hinzu: "Und wenn die Leute sich vor Augen halten, wer dafür verantwortlich ist und warum das passiert ist."

Diese politische Dimension ist es, die die Slowakei bis heute in Atem hält. Unmittelbar nach dem Mord gingen in allen größeren Städten des Landes Zehntausende Demonstranten auf die Straße, ihr Motto lautete: "Für eine anständige Slowakei".

Behörden bleiben unttätig

Seit Jahren schon machen Journalisten immer wieder darauf aufmerksam, wie eng Justiz, Politik und mutmaßliche Mafiagrößen miteinander verwoben sind. Da wohnen Minister in Luxus-Apartments, die sie sich von ihrem offiziellen Salär nie leisten könnten, da werden öffentliche Aufträge dubiosen Geschäftsleuten zugeschanzt - und obwohl Reporter die Geschäfte detailliert beschreiben, bleiben die Ermittlungsbehörden weitgehend untätig.

Eine Frau, die diese Geschichten gut kennt, ist Iveta Radicová. Die Soziologie-Professorin war von 2010 bis 2012 Premierministerin, bis sie über eine Intrige ihres Koalitionspartners stolperte. Sie gilt als Sauberfrau in der slowakischen Politik.

Der Wirtschaftsboom komme bei den meisten Bürgern nicht an, analysiert sie: "Der Graben vergrößert sich, das Armutsrisiko für Kinder ist sogar gewachsen, auch die regionalen Unterschiede werden größer. In dieser problematischen Lage passierte der Mord an dem Journalisten, es kommen immer neue Korruptionsskandale ans Licht, und die Menschen gehen auf die Straße mit der klaren Ansage: Es ist endlich genug!" Ob die Demonstranten einen ausreichend langen Atem haben werden, um wirkliche Änderungen in der Slowakei zu bewirken, muss sich erst noch zeigen.

Jan Kuciaks Vater erinnert sich inzwischen an einen Satz, den sein Sohn öfters sagte: "Immer, wenn er jemandem mit irgendetwas geholfen hat, mit einer Reparatur zum Beispiel, sagte er am Schluss: 'Bedank dich nicht, aber erinnere dich daran!'" Dieser Satz soll nach dem Willen des Vaters über den Eingang zum Museum stehen, das im Haus seines Sohnes entstehen soll. Die Worte haben jetzt nach dem Mord für die Slowaken einen neuen, einen tieferen Sinn bekommen.