Heimlich aufgenommene Filmaufnahmen über Missstände in Bio-Hühnerställen dürfen in einem kritischen TV-Beitrag zur Massentierhaltung gezeigt werden. Wie der Bundesgerichtshof (BGH) am 10. April in Karlsruhe urteilte, ist die Pressefreiheit und das öffentliche Interesse an den Zuständen der Tierhaltung höher zu bewerten, als das Ansehen und der Ruf des Hühnerstall-Betreibers. Der Erzeugerzusammenschlusses der Fürstenhof GmbH aus Mecklenburg-Vorpommern hatte den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) wegen eines Beitrags über die Bio-Hühnerhaltung auf Unterlassung verklagt. (AZ: VI ZR 396/16)

Der MDR begrüßte das BGH-Urteil. "Das ist ein guter Tag für die Pressefreiheit und eine Stärkung der investigativen Recherche", erklärte MDR-Programmdirektor Wolf-Dieter Jacobi in Leipzig. Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt hatte 2012 in der Reihe ARD Exklusiv und in der Sendung "Fakt" über Missstände in Bio-Hühnerställen des Erzeugerzusammenschlusses berichtet. In dem Beitrag wurden auch heimlich aufgenommen Filmaufnahmen verwendet, die ein Tierschützer dem MDR zur Verfügung gestellt hatte. Diese zeigten unter anderem Hühner mit wenigen Federn sowie tote Hühner.

"Wachhund der Öffentlichkeit"

Die Erzeugergemeinschaft hielt die Veröffentlichung für rechtswidrig und verklagte den MDR auf Unterlassung, die Aufnahmen weiter zu verbreiten. Ihr Unternehmerpersönlichkeitsrecht und ihr Recht an der Ausübung des Gewerbebetriebs würden damit verletzt. Ihre Tierhaltung verstoße nicht gegen geltendes Recht. Die vorinstanzlichen Gerichte verurteilten den MDR zur Unterlassung.

Der BGH verwies nun jedoch auf den hohen Stellenwert der Pressefreiheit und der Rolle der Medien als "Wachhund der Öffentlichkeit". Zwar könne die Ausstrahlung den Ruf und das Ansehen des Hühnerstall-Betreibers beeinträchtigen. Auch werde das Interesse des Klägers berührt, seine "innerbetriebliche Sphäre vor der Öffentlichkeit geheim zu halten". Dennoch sei die MDR-Veröffentlichung rechtmäßig.

Der Sender habe sich an den rechtswidrig erstellten Filmaufnahmen nicht beteiligt. Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse würden nicht offenbart. Vielmehr werde die Art der Hühnerhaltung dokumentiert und der Zuschauer darüber zutreffend informiert. Der Filmbeitrag setze sich kritisch mit der Massentierhaltung auseinander und stelle die tatsächlichen Tierhaltungsbedingungen den von der Klägerin herausgestellten hohen ethischen Produktionsstandards gegenüber.

Der BGH betonte, es gehöre zur Aufgabe der Presse, sich mit diesen Gesichtspunkten zu befassen und die Öffentlichkeit zu informieren. Die Funktion der Presse sei nicht auf die Aufdeckung von Straftaten oder Rechtsbrüchen beschränkt.