sozial-Branche

Missbrauch

Studie zu sexuellen Übergriffen in Hamburger Kinderheim



Eine Historikerin hat in einer Studie den sexuellen Missbrauch im Hamburger Kinderheim Margaretenhort aufgearbeitet. Zehn Kinder sollen Opfer geworden sein, doch die Dunkelziffer ist hoch.

Mindestens zehn Kinder sind in der Zeit von Anfang der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre im evangelischen Margaretenhort in Hamburg-Harburg Opfer sexuellen Missbrauchs geworden. Sie gehe aber von einer höheren Dunkelziffer aus, sagte die Trierer Historikerin Ulrike Winkler am 25. März bei der Vorstellung ihrer wissenschaftlichen Studie. Bei den Übergriffen habe es sich um Gewalt von Jugendlichen an Jugendlichen, vor allem aber von Jungen an kleinen Mädchen gehandelt.

Der Studie zufolge haben mehrere Faktoren den Missbrauch begünstigt. Dazu gehörten die im Margaretenhort damals üblichen gemischten Gruppen mit jeweils zwölf Minderjährigen. Für eine Privatsphäre wären Regeln nötig gewesen, die es nicht gegeben habe, sagte Winkler. Ihre Gespräche mit betroffenen Frauen und anderen Beteiligten hätten gezeigt, dass es "gefährliche Orte" für die Mädchen gegeben habe. Dazu zählten Badezimmer, Keller, der Spielplatz und tote Winkel der Gänge.

"Den Kindern wurde nicht geglaubt"

"Das große Dilemma war, dass den Kindern nicht geglaubt wurde". Das halbherzige, nicht dem Opferschutz verpflichtete Vorgehen der Verantwortlichen sei für die Betroffenen ein "fatales Signal" gewesen. Durch das Schweigen habe bei ihnen eine Schuldverschiebung stattgefunden. "Die Scham ist bei den Opfern geblieben."

Dabei könne sie über die Gründe des Schweigens nur Vermutungen anstellen, sagte Winkler. So sei denkbar, dass die Heimleiterin und die Erzieherinnen den Ruf und nicht zuletzt die Existenz des Margaretenhorts schützen wollten. "Da es sich um eine Einrichtung in kirchlicher Trägerschaft handelte, könnte die Sorge um den Prestigeverlust noch einmal besonders ausgeprägt gewesen sein."

Im Oktober 2016 hatte der Kirchenkreis Hamburg-Ost den Verdacht des sexuellen Missbrauchs öffentlich gemacht. Für viele sei es das erste Mal gewesen, so die zuständige Pröpstin Ulrike Murmann, dass ihnen geglaubt wurde. Für die Studie wurden ehemalige Bewohner und Mitarbeitende über die damalige Situation befragt. Die Akten mit den Listen der Bewohner wurden nach den gesetzlichen Vorgaben bereits vernichtet. Etwa 60 bis 75 Kinder und Jugendliche haben in den 1980er Jahren im Margaretenhort gelebt.

Übergriffiges Verhalten

Für die Mitarbeitenden habe es seit Herbst 2016 zahlreiche Schulungen geben, um übergriffiges Verhalten zu unterbinden, sagte Geschäftsführer Rainer Rißmann. Es gehe um eine neue Kultur der Offenheit, in der frei über das gesprochen werden dürfe, was man sieht. Dies sei jedoch ein langwieriger Prozess.

Der Margaretenhort an der Harburger St. Petrus-Kirche wurde 1907 gegründet und war in den 1980er Jahren ein Heim für Kinder und Jugendliche. Dabei handelte es sich überwiegend um Waisenkinder und Kinder aus zerrütteten Familien. Außerdem lebten hier Kinder aus Flussschiffer-Familien.

Die zentrale Einrichtung wurde Mitte der 1980er Jahre schrittweise aufgelöst. Heute leben die rund 80 betreuten Kinder und Jugendlichen in Einzelwohnungen in Harburg und Umgebung. Träger war seinerzeit der Kirchenkreis Harburg. Heute ist der Kirchenkreis Hamburg-Ost Mehrheitsgesellschafter.

Nicole Kiesewetter