sozial-Recht

Bundesfinanzhof

Kein Kindergeld während Ausbildungsplatzsuche bei schwerer Krankheit




Der Bundesfinanzhof in München hat die Anspruchsvoraussetzungen für Kindergeldzahlungen an Eltern erwachsener Kinder geklärt.
epd-bild/Heike Lyding
Bis zum 18. Lebensjahr ist es fast immer klar: Eltern erhalten für ihr Kind Kindergeld. Für ältere, in Ausbildung befindliche oder behinderte Kinder kommt es aber oft zum Streit mit der Familienkasse. In aktuellen Entscheidungen hat der Bundesfinanzhof nun den Anspruch geklärt.

Die beabsichtigte Ausbildungsplatzsuche eines unter 25-jährigen erwachsenen Kindes führt nicht automatisch zu einem Kindergeldanspruch der Eltern. Zwar kann die Ausbildungsplatzsuche diese Zahlung begründen, nicht aber, wenn das volljährige Kind arbeitsunfähig erkrankt und das Ende der Erkrankung nicht absehbar ist, entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in einem am 25. Februar veröffentlichten Urteil. Liege dagegen eine Behinderung vor, komme ein Kindergeldanspruch dennoch in Betracht, so die Münchener Richter.

Nach den gesetzlichen Bestimmungen erhalten Eltern das Kindergeld generell bis zum Ende des 18. Lebensjahres ihrer Kinder. Für das erste und zweite Kind sind das je 219 Euro monatlich. Anschließend kann bis zum 25. Geburtstag ein Kindergeldanspruch bestehen, wenn eine erste Ausbildung, ein Erststudium absolviert oder ein Ausbildungsplatz gesucht wird.

Über das 25. Lebensjahr hinaus ist ein Kindergeldanspruch nur möglich, wenn das Kind wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Davon wird ausgegangen, wenn das jährliche Einkommen des Kindes den Grundfreibetrag von 9.744 Euro nicht überschreitet. Zusätzlich kann ein individueller behinderungsbedingter Mehrbedarf berücksichtigt werden.

Sohn war suchtkrank

Im Streitfall hatte der Vater eines erwachsenen, aber noch nicht 25 Jahre alten Kindes Kindergeld beantragt. Sein Sohn sei wegen einer Suchterkrankung arbeitsunfähig, aber arbeitswillig und auf Ausbildungsplatzsuche, führte er an.

Die Familienkasse lehnte die Zahlung ab, weil aus den ärztlichen Attesten hervorgehe, dass das Ende der Erkrankung des Kindes zumindest zum streitigen Zeitpunkt Juni und Juli 2017 nicht absehbar war.

Der BFH schloss sich in seinem Urteil der Auffassung der Behörde an. Bei einem erkrankten, einen Ausbildungsplatz suchenden erwachsenen Kind komme ein Kindergeld nur in Betracht, "wenn das Ende der Erkrankung absehbar ist". Allein der Wille des Kindes, nach dem Ende der Erkrankung eine Ausbildung aufnehmen zu wollen, reiche dafür nicht aus, hieß es.

Allerdings sei es hier nicht ausgeschlossen, dass der Sohn wegen seiner Drogensucht als "behindertes Kind" gelten und der Vater deshalb Kindergeld beanspruchen könne. Das müsse das Finanzgericht noch einmal prüfen.

Heirat beendet Kindergeldanspruch

Bereits im Februar 2017 zog der BFH aber auch Grenzen, bis wann für behinderte, erwachsene Kinder Kindergeld gezahlt werden kann. Heiraten volljährige behinderte Kinder, gibt es für ihre Eltern danach kein Kindergeld mehr. Das gilt laut BFH, wenn der Ehepartner voll für den Unterhalt des Behinderten aufkommen kann. Weil das Kind nun verheiratet sei, entstehe den Eltern kein zusätzlicher Aufwand mehr, das behinderte Kind finanziell zu unterhalten. Daher sei es gerechtfertigt, für behinderte Kinder kein Kindergeld oder keinen Kinderfreibetrag mehr zu gewähren.

Ein Kindergeldanspruch wegen einer genetisch bedingten Behinderung setzt nach einer Entscheidung der Münchener Richter vom November 2019 zudem voraus, dass bereits vor dem 25. Lebensjahr bei dem Kind deutliche Beeinträchtigungen an der gesellschaftlichen Teilhabe aufgetreten sind. Allein die feste Erwartung einer späteren Behinderung reiche nicht aus, urteilte der BFH im Fall einer 1968 geborenen Tochter, die an einer erblichen, fortschreitenden Muskelerkrankung leidet. Unerheblich sei es für den Kindergeldanspruch, wenn die Behinderung erst nach der Altersgrenze von 25 Jahren diagnostiziert wurde, so der BFH.

Kein Kindergeld beim FSJ

Nach einem weiteren, am 25. Februar 2021 veröffentlichten Urteilt bestehe kein Anspruch auf Kindergeld, wenn das erwachsene Kind krankheitsbedingt ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) unterbrechen muss. Konkret hatte die Tochter des Klägers ein FSJ bei der Johanniter-Unfall-Hilfe begonnen, das wegen ihrer Bulimie und Magersucht aber abbrechen müssen. Erst nach einem über siebenmonatigen Klinikaufenthalt begann sie Anfang 2019 ein weiteres FSJ in einer Behindertenwerkstatt eines anderen Trägers. Die Familienkasse stoppte für die Zeit des stationären Klinikaufenthaltes die Kindergeldzahlung.

Zu Recht, befand der BFH. Das FSJ sei keine Ausbildung. Werde der Einsatz krankheitsbedingt unterbrochen, führe das Warten auf eine neue Freiwilligenstelle nicht zu einem Kindergeldanspruch. Das FSJ diene "regelmäßig nicht der Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf, sondern der Erlangung sozialer Erfahrungen und der Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl".

Verpflichtet sich ein erwachsenes Kind zu einem mehrjährigen Dienst im Katastrophenschutz bei der Freiwilligen Feuerwehr, können Eltern auch nicht über das 25. Lebensjahr ihres Kindes hinaus Kindergeld erhalten, so der BFH in einem früheren Urteil vom Oktober 2017. Das sei bei Ableistung des mittlerweile abgeschafften früheren Zivildienstes oder des Grundwehrdienstes zwar möglich gewesen.

Der Gesetzgeber habe damals bei diesen Diensten die Verlängerung des Kindergeldanspruchs über das 25. Lebensjahr hinaus vorgesehen, weil diese Einsätze die Beendigung der Berufsausbildung verzögerten. Bei mehrjährigen Diensten wie bei der Freiwilligen Feuerwehr sei das nicht der Fall, weil sie neben der Ausbildung geleistet werden.

Az.: III R 49/18 (schwere Erkrankung)

Az.: III B 93/16 (Heirat behindertes Kind)

Az.: III R 44/17 (erblich bedingte Behinderung)

Az.: III R 15/20 (FSJ-Abbruch)

Az.: III R 8/17 (Katastrophenschutz)

Frank Leth