sozial-Recht

Landessozialgericht

Hartz IV auch für Opfer eines Heiratsschwindlers



Jobcenter dürfen wegen einer an einen Heiratsschwindler gezahlten Erbschaft nicht von einem sozialwidrigen Verhalten des Betrugsopfers ausgehen. Wurde die Betroffene wegen der Abgabe ihres Vermögens mittellos, hat sie Anspruch auf Arbeitslosengeld II, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart in einem am 15. Februar bekanntgegebenen Urteil.

Mit der Entscheidung hat eine heute 62-Jährige aus dem Raum Heilbronn Glück im Unglück gehabt. Die arbeitslose Frau lebte nach eigenen Angaben von der Erbschaft ihrer verstorbenen Mutter.

Freigiebig unds hilfebedürftig

Als sie im Frühjahr 2017 Hartz IV beantragte, fielen dem Jobcenter auf den eingereichten Kontoauszügen von November 2016 bis Januar 2017 drei Überweisungen nach Großbritannien über insgesamt 24.000 Euro auf. Auf Nachfrage erklärte sie, sie habe das Geld nur verliehen. Sie habe einem Mann in einer Notlage helfen und sich mit ihm eine gemeinsame Zukunft aufbauen wollen.

Auf das Geld konnte sie aber nicht mehr zugreifen, so dass das Jobcenter zunächst Hartz IV in Höhe von 769 Euro monatlich bewilligte. Doch dann forderte die Behörde die Zahlungen zurück. Die Freigiebigkeit der Frau habe dazu geführt, dass sie ihre Hilfebedürftigkeit in sozialwidriger Weise verursacht habe. Von dem an den Heiratsschwindler gezahlte Geld hätte sie immerhin 31 Monate leben können.

"Kaum nachvollziehbar"

Das Landessozialgericht hatte mit der Frau jedoch ein Einsehen und urteilte, dass ihr das Arbeitslosengeld II zur Sicherung ihres Existenzminimums zustehe. Sozialwidriges Verhalten setze laut Gesetz eine Absicht voraus. Vorhandenes Vermögen müsse gezielt verschwendet worden sein, um die Hilfebedürftigkeit herbeizuführen. Das sei hier aber nicht der Fall.

Dass die ohne jede Sicherheit getätigten Überweisungen von außen und im Nachhinein betrachtet kaum nachvollziehbar seien, spiele keine Rolle. "Es mag naiv und unbedacht gewesen sein, aber ein sozialwidriges Verhalten vermag der Senat im Handeln der Klägerin nicht zu erkennen", urteilte das LSG.

Az.: L 9 AS 98/18