Fürth/Nürnberg (epd). Frauenhaus - bei dem Begriff denken die meisten wahrscheinlich an einen geheimen Zufluchtsort für Frauen, die von ihrem Partner Gewalt erfahren haben und sich nun verstecken müssen. Ein Haus ohne Klingelschild. Selbst gesehen haben Nicht-Betroffene ein Frauenhaus im Stadtbild deshalb wahrscheinlich noch nie. Doch seit einiger Zeit erweckt ein sogenanntes offenes Konzept aus den Niederlanden auch in Deutschland immer mehr Interesse.
Bei diesem Konzept ist die Adresse des Frauenhauses bekannt, Beratungsstellen und Wohnräume sind unter einem Dach vereint und die Partner, Kinder sowie das gesamte soziale Umfeld der Frauen wird verstärkt in die Beratung mit einbezogen. "Ich bin sehr überzeugt vom holländischen Modell und möchte das gerne an unserem neuen Standort einführen", sagt Eva Göttlein, Vorstand des Trägervereins des Frauenhauses Fürth. Voraussichtlich wird das dortige Frauenhaus bald in ein ehemaliges Altenheim umziehen - mitten in die Stadt und damit auch mitten in die Gesellschaft.
"Häusliche Gewalt wird immer noch tabuisiert", sagt Göttlein. "Wenn man sich mit dem Haus versteckt, versteckt man sich auch mit dem Thema." Mehr Öffentlichkeit bedeute nicht zuletzt auch mehr finanzielle Unterstützung zum Beispiel durch Spenden sowie mehr politische Aufmerksamkeit.
Mehr Sichtbarkeit für das Thema häusliche Gewalt erhofft sich auch Sabine Böhl von einem Frauenhaus, das von außen klar erkennbar ist. Häusliche Gewalt sei keine Privatsache, sagt die Referentin für Hilfen für Frauen mit Gewalterfahrung bei der Diakonie Bayern in Nürnberg. Einige diakonische Träger in Bayern seien an offenen Konzepten interessiert und wollten sie bald umsetzen.
Eva Göttlein hat in den offenen Häusern in den Niederlanden besonders beeindruckt, wie selbstbewusst die Frauen gewesen seien, die sich nicht verstecken mussten. Auch die Kinder litten sehr darunter, wenn sie keine Freunde in das Haus mitnehmen dürften, in dem sie oft monatelang bleiben müssten.
"Der Vorteil ist sicher die größere Selbstbestimmung und Selbstsicherheit, die die Frauen in einem offenen Konzept spüren", sagt auch Antje Krüger, Leiterin der landesweiten Koordinierungsstelle gegen häusliche und sexualisierte Gewalt in Bayern. "Sie können darüber sprechen, was ihnen widerfahren ist." Krüger betont aber, dass das Konzept nicht für Frauen geeignet sei, für die eine sehr hohe Gefährdung bestehe, etwa, weil sie von Zwangsheirat bedroht seien.
Doch auch für Frauen mit etwas niedrigerer Gefährdungsstufe sei es nötig, in einem offenen Haus die Sicherheitsstandards zu erhöhen, erklärt Krüger. Auch die Frauenhäuser mit geheimen Adressen hätten natürlich zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen wie Videoüberwachung; eine Sicherheitsschleuse gehöre aber bisher meist nicht dazu. Deshalb kommt das Konzept für sie vor allem für Träger infrage, die sowieso ein neues Haus bauen oder umbauen können.
Eine Sicherheitsschleuse soll es am neuen Standort in Fürth ebenso geben wie einen abgeriegelten Wohnbereich und Notfallknöpfe direkt zur Polizei, erklärt Eva Göttlein. Außerdem sorgt die Sichtbarkeit des Hauses ihrer Meinung nach auch für mehr Sicherheit: "Die soziale Kontrolle ist größer, wenn die Nachbarn Bescheid wissen."
Antje Krüger berichtet, dass die Diskussion um offene Frauenhauskonzepte besonders bei Trägern, die sich im Paritätischen Wohlfahrtsverband zusammengeschlossen haben, vorangetrieben werde. Bisher sei aber noch kein Standort weiter als im Status eines Modellprojektes. Unter klaren Voraussetzungen - verstärkte bauliche Sicherheitsmaßnahmen, parallel weiter existierende geheime Häuser für besonders gefährdete Frauen oder der Intensivierung der Arbeit mit den Frauen und Kindern - sehe sie persönlich das offene Konzept als "Konzept der Zukunft". Mit dem Wunsch, dass alle Frauen so leben können, wie es die offenen Häuser anstreben: "Sichtbar, sicher, selbstbestimmt."