Berlin (epd). Die Berliner Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) will mit übrig gebliebenen AstraZeneca-Impfdosen demnächst die rund 3.000 Obdachlosen in den Notunterkünften der Stadt impfen lassen. "Es ist in der aktuellen Situation nicht hinnehmbar, dass Impfdosen ungenutzt herum liegen", sagte sie am 24. Februar. Vertreter der Obdachlosenhilfe begrüßten den Vorschlag. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte hingegen vor Änderungen der Impfreihenfolge.
Breitenbach betonte, es sei richtig, dass über eine neue Impfpriorisierung diskutiert werde. Obdachlose seien eine besonders vulnerable Gruppe. Im Winter kämen viele von ihnen in einer Notunterkunft unter: "Wir könnten und sollten allen Obdachlosen in Notunterkünften jetzt so schnell wie möglich ein Impfangebot machen."
Die Senatorin wolle mit den Impfungen schon Anfang März starten und hoffe, dass andere Bundesländer dem Beispiel folgen, hieß es. Obdachlose sind aufgrund ihrer Unterbringung in Massenunterkünften und erhöhten Infektionsgefahr bislang in Prioritätsstufe zwei eingruppiert.
Auch die Direktorin des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Barbara Eschen, betonte: "Für uns gehören obdachlose Menschen zu einer besonders vulnerablen Gruppe, die man zudem nur jetzt gut erreichen kann." Die Zeit dränge: "Mit den steigenden Temperaturen schlafen wohnungslose Menschen nun wieder häufiger außerhalb der Einrichtungen und Notunterkünfte", sagte Eschen dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Bald schon wird es nicht mehr möglich sein, in einer konzentrierten Aktion möglichst viele Menschen zu impfen." Sie plädierte zudem dafür, Mitarbeitende der Wohnungslosenhilfe, die täglich mit sehr vielen unterschiedlichen Menschen Kontakt haben, möglichst zügig zu impfen.
Zustimmung zum Vorschlag der Sozialsenatorin kam auch vom Direktor der Berliner Stadtmission, Christian Ceconi. Aktuell seien die Bedingungen gut, um Menschen ohne Obdach zu impfen, sagte er. So seien mehr als 200 Betroffene vorläufig bis Ende März dauerhaft in Wohnheimen der Stadtmission untergebracht.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, erklärte dagegen mit Blick auf eine geänderte Impfreihenfolge: "Epidemiologisch und ethisch ist das hochbedenklich." Seit November sei bekannt, dass Angehörige von Pflegebedürftigen und Kontaktpersonen von Schwangeren zur zweiten Priorisierungsgruppe gehören, weil sie hochgefährdete Menschen betreuen. Diese würden mit einer geänderten Impfreihenfolge benachteiligt.
Allein in Berlin seien das mehrere hunderttausend Personen, "die jetzt sofort ein Impfangebot" benötigen, sagte Brysch: "Aber weder die Senatsverwaltung noch die Krankenkassen verschicken Impf-Berechtigungsscheine, damit eine unkomplizierte Terminvergabe möglich ist." Das sei absurd, da viele dieser Menschen mit dem Serum von AstraZeneca versorgt werden könnten. "Stattdessen will jetzt die Senatsverwaltung für immer mehr Berufs- oder Sozialgruppen außerhalb der Reihenfolge ein Impfangebot organisieren", kritisierte er.