Karlsruhe (epd). Die für die Jugendämter zuständigen Kommunen können keine Familiengerichtsentscheidung per Verfassungsbeschwerde kippen, um das Wohl eines Kindes zu verbessern. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am 9. Februar veröffentlichten Beschluss im Fall einer alleinerziehenden Mutter entschieden, die mit einem verurteilten Sexualstraftäter eine neue Partnerschaft eingegangen war.
Die Frau war im Mai 2016 zusammen mit ihrer 13-jährigen Tochter in den Haushalt ihres neuen Partners gezogen. Von ihm wusste sie, dass er wegen Kindesmissbrauchs zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden war. Er hatte mehrere Mädchen im Alter zwischen zehn und 13 Jahren überredet, sich im Internet vor einer Kamera auszuziehen und ihm Nacktbilder zu schicken. Gerichtlich wurde ihm deshalb jede Kontaktaufnahme zu Kindern und Jugendlichen über Internet-Plattformen untersagt.
Als das Jugendamt von der Beziehung erfuhr, befürchtete die Behörde eine Gefährdung des Mädchens. Der Mann zog nach eineinhalb Jahren zwar aus der gemeinsamen Wohnung aus, um die Wogen des Streits zu glätten. Dennoch entzog das Jugendamt der Mutter teilweise das Sorgerecht und ordnete an, das Kind in einem Heim unterzubringen.
Der Bundesgerichtshof hob diese Entscheidung auf, weil die Maßnahme unverhältnismäßig sei. Der neue Lebensgefährte zeige sich kooperativ und habe eine Therapie begonnen. Die Tochter habe sich während des gemeinsamen Zusammenlebens des Paares gut entwickelt und empfinde die eigene Heimunterbringung als Strafe. Dem folgte auch das Oberlandesgericht. Gegen diese Entscheidung legte der Landkreis als Jugendhilfeträger Verfassungsbeschwerde ein.
Doch der Landkreis war trotz seines staatlichen Wächteramtes über das Kindeswohl nicht berechtigt, selbst die Rechte des Kindes per Verfassungsbeschwerde geltend zu machen, entschied das Bundesverfassungsgericht. Auf die Verletzung eigener Rechte könne er sich nicht stützen. Rechte gegenüber dem Staat habe allein das Kind, nicht aber die mit dem Wächteramt befassten Behörden, lautete die Begründung des Gerichts.
Um die Kindesrechte wahren zu können, sei die hier die gerichtliche Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich und möglich. Dieser hätte dann bei einer Kindeswohlgefährdung ein Verfassungsbeschwerdeverfahren anregen können. Im familienrechtlichen Verfahren hätte zudem ein Verfahrenspfleger bestellt werden können, der ebenfalls die Rechte des Kindes vertritt, erklärten die Karlsruher Richterinnen und Richter.
Az.: 1 BvR 1395/19