Mainz (epd). Schon während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020 war Clara Bauer (Name geändert) mit ihrer Bitte um Homeoffice auf taube Ohren gestoßen. "Mir hat der Chef nicht zugetraut, dass ich zu Hause überhaupt etwas tun würde", seufzt die Rheinland-Pfälzerin, die als Verwaltungsangestellte in einer Einrichtung der katholischen Kirche arbeitet. Als im Herbst die Infektionszahlen erneut explodierten, wurde ihr nach langen Diskussionen immerhin zugestanden, dass sie nur noch jeden zweiten Tag am Arbeitsplatz erscheinen muss. Einen zwingenden Grund dafür, die Aufgaben im Büro zu erledigen, gebe es nicht, sagt sie.
Eine Verordnung des Bundesarbeitsministeriums soll in der Corona-Krise sicherstellen, dass Berufstätige mit Bürojobs mehr von zu Hause aus arbeiten. "Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen", heißt es darin. Telearbeit dürfe für die Dauer der Pandemie nicht mehr willkürlich verweigert werden, versprach Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Eingeklagt werden kann sie allerdings nicht.
Noch im Dezember hatten auch SPD-Politiker wie die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer eine solche Homeoffice-Verpflichtung klar abgelehnt. "Die meisten Arbeitgeber verhalten sich absolut vernünftig", sagte sie zur Begründung. Zwang sei in dieser Frage rechtlich nicht möglich. Da die Infektionszahlen trotz aller Einschränkungen und Verbote bislang nicht ausreichend stark gesunken sind, kam es dann im Januar zu einem Kurswechsel.
Die Homeoffice-Quote habe beim ersten Lockdown 30 Prozent betragen, heute nur noch 22 Prozent, ärgerte sich der saarländische Regierungschef Tobias Hans (CDU) auf Twitter: "Da ist noch viel Luft nach oben."
Tatsächlich haben sich viele Firmen längst Gedanken darüber gemacht, wie sie Kontakte am Arbeitsplatz auf ein Minimum verringern und Arbeit von Zuhause erleichtern können. So befindet sich am Stammsitz des weltgrößten Chemiekonzerns BASF in Ludwigshafen seit Oktober rund die Hälfte der 39.000 Beschäftigten durchgehend im Homeoffice - das sind praktisch alle Angestellten mit Bürojob. "Es gilt die Ansage: Wer von zu Hause arbeiten kann, soll es auch machen", sagt eine Unternehmenssprecherin. "Das funktioniert sehr gut." Bürostühle und große PC-Bildschirme konnten die Beschäftigten mitnehmen.
Ähnlich organisiert auch der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim die Arbeit in der Coronavirus-Pandemie. "Uns ist wichtig, dass wir die Infektion nicht aufs Gelände holen", heißt es in der Ingelheimer Unternehmenszentrale. Beim Südwestrundfunk gilt seit Dezember, dass Führungskräfte die Anwesenheit ihrer Mitarbeiter im Funkhaus jederzeit begründen können müssen. Die Sendeanstalt hat nicht nur klassische Büroarbeiten, sondern auch Cutter und Multimedia-Redakteure ins Homeoffice versetzt.
Auch bei den großen Kirchen ist Arbeit von zu Hause vielerorts eine Selbstverständlichkeit, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. So sehen die Empfehlungen der hessen-nassauischen Landeskirche für Verwaltungskräfte vor, dass durchschnittlich zwei Drittel der Arbeitszeit zu Hause abgeleistet werden können. Bei der pfälzischen Kirche sind es meist 50 bis 70 Prozent der Arbeitszeit. Die Evangelische Kirche im Rheinland verzichtet ganz auf zeitliche Rahmenvorgaben. Von den 280 Mitarbeitenden im Landeskirchenamt in Düsseldorf seien noch zehn Prozent regelmäßig ganztägig im Haus, die übrigens 90 Prozent kämen nur sporadisch oder stundenweise vorbei.
Gerade im Bereich der Behörden - also dort, wo die Politik am ehesten Einfluss nehmen könnte - gibt es erstaunlich oft Nachholbedarf. Viele Verwaltungen sehen es bereits als Erfolg, dass die Präsenzpflicht ihrer Bediensteten an einzelnen Arbeitstagen ausgesetzt ist. Dass die Kontakte am Arbeitsplatz nicht stärker sinken, hat wohl auch damit zu tun, dass längst nicht alle Arbeitnehmer dazu bereit sind.
Auch Clara Bauer hatte in ihrem Büro zunächst keine Rückendeckung beim Thema Homeoffice: "Ich wollte sofort, aber die Kolleginnen wollten nicht." Als sie sagte, dass sie sich in der S-Bahn unwohl fühle, sei ihr nahegelegt worden, mit dem Auto zu kommen.