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Corona

Schnelltests bringen Pflegeheime an Leistungsgrenze




Corona-Schnelltest im Pflegeheim Eichenau in Bayern
epd-bild/Klaus Honigschnabel
Dreimal pro Woche sollte jeder Heimmitarbeiter auf Corona getestet werden. Die Sicherheitsmaßnahme kostet das Team wertvolle Arbeitszeit - und kann die Getesteten in einer falschen Sicherheit wiegen. Unterdessen fordern Patientenschützer, infizierte Heimbewohner schnellstmöglich zu isolieren, um weitere Hotspots zu vermeiden. Das DRK will freiwillige Helfer für die Schnelltests schulen.

Die Alten- und Pflegeheime in Baden-Württemberg haben verhalten auf die seit dem 18. Januar gültige, verschärfte Corona-Verordnung des Landes reagiert. Vielen Einrichtungen fehlt das Personal für zusätzliche Tests. Die Sprecherin der Evangelischen Heimstiftung in Stuttgart, Alexandra Heizereder, spricht gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) zwar von einem "Schritt in die richtige Richtung". Er gehe aber nicht weit genug. Die Heimstiftung betreibt 90 Pflegeheime und ist auf diesem Gebiet der größte Anbieter im Südwesten.

Die jüngste Corona-Verordnung verpflichtet Alten- und Pflegeeinrichtungen im Südwesten, ihre Mitarbeiter drei statt wie zuletzt zwei Mal pro Woche einem Corona-Schnelltest zu unterziehen. Besucher müssen einen negativen Schnelltest vorlegen, der nicht älter als 48 Stunden sein darf. Ihnen müssen die Heime vor jedem Besuch einen Corona-Schnelltest anbieten.

Hintergrund sind die weiterhin bundes- und landesweit sehr hohen Infiziertenzahlen. Besonders im Bereich der Altenpflege entwickeln sich schnell "Hotspots". Gleichzeitig gehören die Bewohner der Pflegeinrichtungen zu den besonders vulnerablen Gruppen, welche die Landesregierung mit der neuen Corona-Verordnung besser schützen will.

Kritik an Lücken in Verordnung

Die Evangelische Heimstiftung hatte jüngst ein besseres Schutzkonzept für Alten- und Pflegeheime angemahnt. Eine Lücke in der Verordnung sieht die Stiftung vor allem beim Umgang mit Testverweigerern unter dem Personal. "Daran ändert auch die neue Verordnung nichts", sagt Alexandra Heizereder.

In eine andere Richtung geht die Kritik von Kai Schramm. "Das Land unterstützt die Heime nicht", sagt der Einrichtungsleiter des Johanniter-Hauses Waibstadt im Rhein-Neckar-Kreis. Die Heime erführen erst am Wochenende vorher, was sie montags darauf schon umsetzen sollten, so seine - wiederholte - Erfahrung. "Ich bin mehr als enttäuscht", betont Schramm.

Drei Mitarbeiter testen unablässig Personal

Um sein Personal zu testen, seien jedes Mal drei Mitarbeiter nötig. Drei Stunden benötigten sie, bis alle Pflegekräfte des Hauses durchgetestet seien. "Teilweise kommen die Mitarbeiterinnen aus ihrer freien Zeit, nur um sich testen zu lassen", berichtet Schramm, um zu zeigen, wie viel Zeit und Personal die Schnelltests binden.

Für die Testpersonen bedeutet das: Mehrmals in der Woche wird ihre Rachenschleimhaut gereizt. "Teilweise blutet es auch etwas", weiß Schramm. Zwingen könne er niemanden zum Test. Als Arbeitgeber habe er rechtlich nur die Möglichkeit, Testverweigerer unbezahlt vom Dienst freizustellen. Angesichts der dünnen Personaldecke in den Alten- und Pflegeeinrichtungen sei dies jedoch eine "theoretische" Möglichkeit.

Geld für Hilfskräfte abrufen

Das sieht auch die Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebtroffene Menschen (BIVA) so. Sie verwies am 18. Januar in Bonn auf einen Bund-Länder-Beschluss von Anfang des Monats, der eine Initiative zur Schulung von freiwilligen Helfern für die Corona-Schnelltests in Pflegeheimen möglich machen soll. Um das Personal endlich zu entlasten, forderte Verbandschef Manfred Stegger, "eine schnelle Umsetzung des Bund-Länder-Beschlusses in allen Bundesländern und die sofortige Schulung und Einstellung von Hilfspersonal für die Testungen."

Kosten für Personal und Material seien durch den Corona-Rettungsschirm abgedeckt. "21.600 Euro im Monat stehen beispielsweise einer Einrichtung mit 80 Bewohner für PoC-Antigen-Testungen zusätzlich zu den Kosten der Testkits zur Verfügung." Gedacht sei der Aufwendungsersatz insbesondere für die Einstellung von Hilfskräften oder Zuhilfenahme von Fremddiensten.

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) unterstützt nach eigenen Angaben die Bundesregierung bei der Durchführung von Schnelltests in Pflegeeinrichtungen. Man werde die Schulung von rund 7.000 Bundeswehr-Angehörigen sowie 7.000 Freiwilligen übernehmen, die die Soldaten nach drei Wochen bei ihrem Einsatz in den Pflegeheimen ablösen sollen, teilte DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt am 20. Januar mit. "Wir hoffen, dass durch den Einsatz der Bundeswehr und der Freiwilligen das Pflegepersonal in den Einrichtungen, das bisher in erster Linie die Schnelltests für Bewohner und Angehörige vornimmt, entlastet werden kann." Die Schulung für die Schnelltests soll durch die DRK-Kreisverbände vor Ort erfolgen.

Weiter hieß es, die Bundesagentur für Arbeit solle die Bewerbungen von Freiwilligen entgegennehmen und an die Kommunen und Landkreise weiterleiten, die dann den Personalbedarf für die Schnelltests in den Pflegeeinrichtungen vor Ort ermitteln sollen.

Schutzwirkung ist umstritten

Zweifel an der Schutzwirkung der Schnelltests äußert der Einrichtungsleiter des Seniorenzentrums Sonnhalde in Neuenbürg vom evangelischen Diakonissenverein Siloah, Ludger Schmitt. Sie böten eine "Scheinsicherheit und verhindern keine Infektion", sagt Schmitt. Oftmals trügen negativ getestete Besucher dann auch im Zimmer keine Maske mehr, und "küssen die Oma".

Schmitt stützt seine Meinung auf die Einschätzung des Virologen Christian Drosten von der Berliner Charité. Der Corona-Experte hatte bereits im Herbst vor einer trügerischen Sicherheit falsch negativer, aber auch vor Panik durch falsch positive Ergebnisse der Schnelltests gewarnt. Anders als die PCR-Tests, die in ein Labor eingeschickt werden müssen, sind die Schnelltests weniger zuverlässig. Wie Kai Schramm sieht auch Ludger Schmitt sein Personal an der Grenze des Machbaren angekommen, wenn er noch öfter testen lassen soll.

"Infizierte verlegen"

Patientenschützer haben Bund und Länder zu einer Kehrtwende beim Schutz von Pflegeheimbewohnern aufgerufen. Ohne eine konsequente Verlegung von Heimbewohnern mit negativem PCR-Test an einen sicheren Ort seien Ketteninfektionen vorprogrammiert, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, am 19. Januar. Die heiminterne Trennung von Corona-Infizierten und -Nichtinfizierten sei gescheitert. Es müsse ein Ende haben, "dass je nach Region bis zu 90 Prozent der Menschen, die an und mit Covid-19 sterben, Pflegeheimbewohner sind".

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten müssten sich endlich der Tatsache stellen, dass "nicht 12.000 Pflegeheime abgeriegelt und damit 900.000 Menschen eingesperrt werden" müssten, sagte der Patientenschützer.

Die Diakonie erklärte hingegen, Bryschs Vorstoß sei "nicht zielführend". Denn unklar sei, wohin die Bewohnerinnen und Bewohner umziehen sollen. Außerdem würden sie durch einen Transport zusätzlich gefährdet und belastet.

Die Diakonie forderte Entlastung für das Personal in den Pflegeheimen. "Dazu braucht es dringend die versprochene Unterstützung bei den Testungen." Die Bundesregierung hatte Freiwillige aufgerufen, in den Heimen bei den Covid-19-Tests zu helfen.

Susanne Lohse, Dirk Baas