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Corona

Zwischen Hoffnung, Skepsis und fehlenden Impfstoffen




Corona-Impfung im Pflegezentrum Lore Malsch in Riemerling bei München
epd-bild/Klaus Honigschnabel
Die Impfstoffe gegen das Coronavirus wecken Hoffnungen und Ängste zugleich: Die einen sind zuversichtlich, dass sie mit den Mitteln immun werden und die Gesellschaft wieder zurückfindet zu ihrem gewohnten Gang. Andere trauen dem Serum nicht. Dazu kommt: Der Impfstart in Deutschland verlief alles andere als reibungslos.

Die neuen Corona-Impfstoffe wurden in Rekordzeit entwickelt. Seit dem 26. Dezember wird nun geimpft. Werden die Vakzine wirklich wirken? Sind sie sicher? Permanent klingelt bei der Deutschen Gesundheitshilfe in Frankfurt am Main derzeit das Telefon und Patienten melden sich mit solchen Fragen. Eine eindeutige, rundum beruhigende Antwort kann der Geschäftsführer des Vereins, Patrick Heinz, nicht geben. Doch er rät Anrufern, Vertrauen zu haben in die Politik und die Impfstoffhersteller. "Denn bestimmt will niemand, dass es durch die Impfung zu Schäden kommt", sagt er.

Nicht mehr unter Quarantäne gestellt zu werden, weil man "positiv" ist, endlich keine Angst mehr haben zu müssen, dass man krank wird oder als Virusträger andere krankmachen kann: Die mit dem Impfstoff verbundenen Hoffnungen sind riesig. Gleichzeitig ist die Impfbereitschaft allerdings im Sinkflug begriffen. Das geht aus Daten des Gemeinschaftsprojekts "Covid-19 Snapshot Monitoring" der Uni Erfurt hervor. Hätten sich im April noch 79 Prozent der Befragten impfen lassen, waren es am 15. September nur noch 56 Prozent. Inzwischen liegt der Wert unter der 50-Prozent-Marke. Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen jüngst Wissenschaftler aus Heidelberg.

Impfskepsis bei Fachkräften

Dazu kommt eine Tatsache, die viele Branchenvertreter mit großer Sorge sehen: Die Impfbereitschaft beim Personal in Pflegeheimen und Kliniken, bei Fachkräften und Ärzten ist offenbar ebenfalls nicht sehr hoch - obwohl alle diese Personen permanent mit Infizierten oder Angehörigen von Risikogruppen zu tun haben. Aus einer Umfrage der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin von Anfang Dezember geht hervor, dass sich rund die Hälfte der Pflegekräfte momentan nicht impfen lassen will.

Kritik kommt an den Abläufen der Impfungen. Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, betonte am 6. Januar in Berlin: "Gerade ältere und gebrechliche Menschen, die zu Hause gepflegt werden, müssen einfacheren Zugang zur Impfung erhalten." Dafür sei es zwingend erforderlich, dass Transporthilfen in die Impfzentren etwa durch Freifahrtscheine für Taxis zur Verfügung gestellt werden oder Rettungssanitäter diese Aufgabe übernehmen. "Hilfreich wäre auch, wenn Angehörige für die Fahrt ins Impfzentrum von der Arbeit freigestellt würden."

Im Fokus steht auch das Vergabesystem für die Impftermine. "Es kann nicht sein, dass Ältere mitunter stundenlang am Telefon sitzen, weil die Leitungen für die Terminvergabe überlastet sind." Den VdK hätten seit dem Impfstart zahlreiche Beschwerden erreicht. Bentele: "Wir fordern ein transparentes und bundeseinheitliches Konzept der Terminvergabe für ältere Pflegebedürftige."

Experten halten Impfstoff für sicher

Sicherheit hat bei der Entwicklung von Impfstoffen einen extrem hohen Stellenwert. In Deutschland ist das im hessischen Langen ansässige Paul-Ehrlich-Institut zuständig für die Zulassung von Impfstoffen. Zum Thema "Sicherheit" erreichte das Institut vor der Impfstoffzulassung laut Pressesprecherin Susanne Stöcker "unzählige Anfragen". Das Institut reagierte darauf, indem es seine Corona-FAQs um Fragen zur Sicherheit ergänzte.

Trotz massiver Aufklärung besteht die Angst, dass die Impfung ein Pyrrhus-Sieg über das Virus werden könnte - nämlich dann, wenn gravierende Nebenwirkungen auftreten. Der Münchner Kinderarzt Steffen Rabe teilt diese Ängste. "Kein Corona-Impfstoff hat das reguläre Zulassungsverfahren durchlaufen", sagt der Initiator des 2006 gegründeten Vereins "Ärzte für individuelle Impfentscheidung" mit nach eigener Angabe derzeit 1.300 Ärzten als Mitgliedern.

Besorgte Patienten bei Hausärzten

Trotz solcher beruhigender Worte scheint Skepsis weit verbreitet. Besorgte Patienten schlagen in Apotheken und Arztpraxen auf. "Wir Hausärztinnen und Hausärzte merken seit Wochen in unseren Praxen, wie groß die Verunsicherung ist,", berichtet Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands. Durch "gute Argumente" werde versucht, die Impfbereitschaft zu fördern. Zu diesen Argumenten gehört laut Weigeldt, dass die bisherige Studienlage zeigt: "Der neue Impfstoff ist sicher, und er schützt in einem hohen Maße vor Erkrankung."

Doch selbst wenn sich die Bürger nun vermehrt immunisieren lassen wollten - dazu kommt es in den nächsten Monaten nicht. Zum Start steht nur ein Bruchteil der Impfdosen bereit, die eigentlich benötigt werden. 1,3 Millionen Impfdosen wurden laut Bundesgesundheitsministerium wie vereinbart bis Ende 2020 ausgeliefert. Bis Ende Januar erwartet Spahn vier Millionen Impfdosen des Biontech/Pfizer-Impfstoffs. Inzwischen ist auch das Vakzin von Moderna von der EU zugelassen. Bis Ende März soll die US-Firma zwei Millionen Dosen nach Deutschland liefern.

Doch auch die werden nicht reichen, um alle besonders gefährdeten Personengruppen schnell zu immunisieren: 2018 gab es laut Statistischem Bundesamt allein rund 3,63 Millionen Beschäftigte im Gesundheitswesen in Deutschland mit direkten Patientenkontakt.

Aktion in Heimen läuft langsam an

Jetzt, so sieht es die Impfstrategie vor, sind zunächst über 80-Jährige an der Reihe, die in Heimen leben, und deren Pflegepersonal. Dazu die Hochaltrigen, die noch in den eigenen vier Wänden leben. Und selbst für ein zügiges, zweistufiges Impfen dieser Gruppen reichen die Impfstoffe derzeit nicht aus. Die Folge: Mobile Impfteams treten auf der Stelle, in vielen Impfzentrentren herrscht noch gähnende Leere.

Eine Folge davon ist auch die Diskrepanz zwischen gelieferten Impfdosen und bereits erfolgten Impfungen. Rund 367.300 Impfdosen sind laut Robert Koch-Institut bisher (Stand 6. Januar) verimpft worden. Dabei standen bereits 1,3 Millionen Impfdosen zur Verfügung.

"Mit der Entscheidung, zuerst in Pflegeheimen zu impfen, war klar, dass es langsamer losgeht. Dort müssen mobile Teams eingesetzt werden, das ist aufwändiger als im Impfzentrum", erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den eher schleppenden Start. Er sei aber zuversichtlich, dass noch im Januar alle Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen ein Impfangebot bekämen.

Heime müssen Termine vorbereiten

Dass die Immunisierung in den Pflegeheimen nur zögerlich anläuft, hat seine Gründe - unabhängig vom knappen Impfstoff. Die Heime müssen vorab alle Impfwilligen erfassen, inklusive des eigenen Personals. Dazu müssen in vielen Fällen auch die Einverständniserklärungen von Demenzpatienten bei Betreuern eingeholt werden. Diese Papiere gehen an die zuständigen Gesundheitsämter, die dann die Heime informieren, wann die Impfungen durch mobile Teams erfolgen.

All das braucht Zeit. Wieviel, ist derzeit offen. Niedersachsen will bis Ende Januar den größten Teil der Menschen in den Alten- und Pflegeheimen gegen Covid-19 geimpft haben. Die stellvertretende Leiterin des Corona-Krisenstabs der Landesregierung, Claudia Schröder, sagte am 5. Januar in Hannover: "Innerhalb der nächsten vier bis sechs Wochen werden wir durch sein." Erst danach sollen die Impfungen in den landesweit rund 50 Impfzentren beginnen.

Dirk Baas, Pat Christ