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Corona

Migrationsforscher warnt vor Stigmatisierung bei Fehlverhalten



Wie ernst Menschen die Corona-Gefahr nehmen und wie sorgfältig sie sich an die geltenden Schutzmaßnahmen halten, hängt nach Ansicht des Osnabrücker Migrationsforscher Jochen Oltmer nicht mit ihrer Herkunft, Nationalität oder Kultur zusammen. Wenn sich beispielsweise Werksvertragsarbeitnehmer in Schlachthöfen oder Asylsuchende in Gemeinschaftsunterkünften mit dem Corona-Virus infizierten, liege das vor allem an den Arbeits- und Lebensbedingungen, sagte Oltmer dem Evangelischen Pressedienst (epd).

"Niemand will krank werden, das hat nichts mit seiner kulturellen Prägungen zu tun", betonte Oltmer. Er warnte davor, eigene Beobachtungen von dem Corona-Fehlverhalten Einzelner auf ganze Bevölkerungsgruppen zu übertragen. "Diese Art von Pauschalisierung ist hochgradig problematisch. Dazu liegen keine belastbaren Zahlen vor."

Neben den sozioökonomischen Lebensverhältnissen spiele das Alter für den Umgang mit der Pandemie eine Rolle. Der Altersdurchschnitt bei Migranten sei deutlich niedriger als in der übrigen Bevölkerung. Auch neigten junge Erwachsene aufgrund eines geringeren Erkrankungsrisikos zu einem sorgloseren Umgang mit dem Virus. "Das ist aber ganz unabhängig von der Frage, aus welchem Land jemand kommt oder woher seine Eltern stammen", unterstrich Oltmer.

Warnung vor unspezifischem Begriff "Ausländer"

In der Diskussion um Verstöße gegen Corona-Regeln falle häufig pauschal das Wort "Ausländer". Das sei ein sehr unspezifischer Begriff. "Da müssen wir uns fragen: Von wem reden wir? Von Menschen, die gerade erst als Flüchtlinge zu uns gekommen sind, von den rund zehn Prozent, die eine andere Staatsbürgerschaft haben, oder von Menschen mit Migrationshintergrund, rund einem Viertel der Bevölkerung, die zum Teil schon in zweiter Generation hier leben?"

Der Migrationsforscher forderte, die aktuell geltenden Corona-Regeln in den jeweiligen Herkunftssprachen über die Kommunikationskanäle der sozialen Medien zu verbreiten. Dann würden die komplexen Bestimmungen auch die Menschen erreichen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. "Die klassischen Wege - Zeitung, Fernsehen, Radio - helfen da häufig nicht weiter", sagte Oltmer.

Julia Pennigsdorf