sozial-Politik

Behinderung

"Das Down-Syndrom ist cool"




Natalie Dedreux
epd-bild/Jörn Neumann
Auf Instagram präsentieren Millionen Menschen Momente aus ihrem Leben. Viele Fotos zeigen auch Menschen mit Down-Syndrom. Darunter auch die 21-jährige Natalie Dedreux. Sie zeigt, wie normal ihr Leben mit dem Gendefekt ist.

Ihren ersten Instagram-Post setzte Natalie Dedreux vor zwei Jahren ab: Das Foto zeigt, wie die Kölnerin in Jeans, Lederjacke und Turnschuhen vor einer Betonwand steht - mit ausgebreiteten Armen und in den Himmel schauend. Darunter steht: "Ich bin Natalie Dedreux. Ich habe das Down-Syndrom. Das Down-Syndrom ist cool."

Seither lässt die 21-Jährige bekannte und fremde Menschen auf Instagram an ihrem Leben teilhaben. Sie zeigt Fotos von sich bei Konzertbesuchen, Sportübungen, Karnevalsfeiern, Spaziergängen oder von Momenten mit ihrem Freund. Das Profil ist öffentlich, es folgen ihr inzwischen mehr als 5.500 Menschen. "Es sind richtig viele, die sich für mich interessieren", sagt sie stolz im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Gerne würde sie noch mehr Instagram-User erreichen: "Dann sehen viele, dass Menschen mit Down-Syndrom auch cool sind und etwas zu sagen haben."

Bei Instagram finden sich unter dem deutschen und englischen Hashtag zum Down-Syndrom Millionen Bilder von jungen Erwachsenen, Kindern und Babys mit dem Gendefekt. Wie Dedreux versuchen Betroffene selbst und auch auffällig viele Eltern von Kindern mit Trisomie 21 über das soziale Netzwerk, Ängste und Vorurteile abzubauen.

Ein realitätsnahes Bild zeigen

Irina Martius aus der Nähe von Zwickau bloggt seit der Geburt ihres Sohnes Tillmann, der das Down-Syndrom hat, auf Instagram über ihren Familienalltag. "Ich will zeigen, dass wir stolz auf unser Kind sind und dass das überhaupt unabhängig von seiner Chromosomenzahl ist", sagt sie dem epd. Auf ihrem Kanal folgen ihr 6.300 Abonnenten. Natürlich hoffe sie auch, dass möglichst viele so ein wenig offener für Menschen mit dem Gendefekt werden. "Wenn wir eines nicht wollen, dann ist es, dass sich unser Kind verstecken muss."

Starrende Blicke und sogar Gafferei auf dem Spielplatz oder im Supermarkt waren der Grund dafür, warum die 31-jährige Patrizia aus Hamburg - alias "tree.21" - begann, ihr Leben als Mutter eines Sohnes mit Down-Syndrom online zu dokumentieren. Viele Menschen wüssten lediglich das über das Down-Syndrom, was sie im Biologieunterricht der Schule gelernt haben, sagt sie dem Evangelischen Pressedienst. Das sei zum Teil bereits überholt oder realitätsfern. Mit dem Instagram-Kanal wolle sie aufklären, aber auch zeigen, dass sie ein ganz normales Leben führt. Deshalb geht es auf ihrem Kanal nicht pausenlos über das Down-Syndrom, sondern über all das, was in ihrem Alltag und dem ihres achtjährigen Sohnes Elijah anfällt.

Dass es auch über Instagram schwierig ist, gerade die Menschen zu erreichen, die Berührungsängste gegenüber Menschen mit Trisomie 21 haben, ist der Hamburgerin bewusst. Unter ihren 41.500 Abonnenten seien vor allem Menschen, die einer Behinderung prinzipiell offen gegenüber eingestellt sind. Hinzu kämen viele Pädagogen und Angehörige von Menschen mit Down-Syndrom.

Von Erfahrungen Anderer profitieren

Hasskommentare hat keine der drei Instagrammerinnen bislang erhalten, berichten sie. "Die Leute sind wegen des Inhalts da und wissen, worauf sie sich einlassen", erklärt Martius. Anders als bei Instagram oft üblich sei der Austausch mit anderen Nutzern wenig oberflächlich, sondern gehe schnell in die Tiefe. So gibt Martius anderen Eltern von Kindern mit Down-Syndrom, die jünger als ihr vierjähriger Sohn sind, Tipps für Therapien, Lernhilfen oder Beratungsstellen. Von der Erfahrung anderer Eltern mit älteren Kindern profitiere wiederum sie. Für Martius ist das ein Nutzen, von dem sie glaubt, dass er vor allem in Zukunft wichtiger werden wird: "Die Förder- und Therapielandschaft für das Down-Syndrom wird in den nächsten Jahren nicht besser werden." Die Abtreibungsrate von Müttern, die ein Baby mit Down-Syndrom erwarten, werde künftig steigen, da die gesetzlichen Krankenkassen den vorgeburtlichen Bluttest auf Trisomie 21 zahlten, erklärt sie. Von daher sei es für Eltern umso wichtiger, Erfahrungen auszutauschen.

Natalie Dedreux hat gegen die Kostenübernahme der Krankenkassen für den nicht-invasiven Pränataltest gekämpft - auf Demonstrationen und mit einer Online-Petition, wie sie auf Instagram zeigt. Ihren Kanal bespielt sie eigenständig: Sie schreibt frei aus dem Bauch heraus, nutzt Hashtags und verlinkt andere User. "Es macht einfach Spaß zu zeigen, wo man ist und was man macht", sagt sie. Anderen Menschen mit Down-Syndrom rät die junge Frau, sich ebenfalls bei Instagram anzumelden - fügt aber hinzu, dass das vielleicht nicht für jeden etwas ist: "Ich sage halt, jeder Jeck ist da anders."

Patricia Averesch