sozial-Politik

Corona

Spahn will Priorisierung bei erneuten Corona-Beschränkungen




Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU)
epd-bild/Christian Ditsch
Die Corona-Infektionszahlen steigen, die Bundesregierung ist besorgt. Gesundheitsminister Spahn wirbt für eine Diskussion über Prioritäten, sollten neue Beschränkungen nötig werden. Schule, Kita und Einzelhandel will er möglichst offen halten.

Angesichts steigender Corona-Infektionszahlen will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Prioritäten festlegen, sollten neue Beschränkungen notwendig werden. Bei einer Video-Pressekonferenz sprach sich Spahn am 17. August dafür aus, Schulen und Kindertagesstätten möglichst offen zu halten. Der Regelbetrieb sei wichtig für die Kinder. Die Schließungen im Frühjahr seien für die Familien sehr belastend gewesen, sagte Spahn.

Zudem sprach er sich dafür aus, Läden geöffnet zu halten, auch weil es dort keine Infektionsherde gegeben habe. Möglichkeiten für Beschränkungen sieht er bei Festen. Er wolle mit den Ländern darüber reden, welche Form von Veranstaltungen und Feiern stattfinden können, sagte Spahn. Er wolle nicht der "Spielverderber" sein, sagte er, ergänzte aber, er habe von vielen Seiten gehört, dass sich bei Veranstaltungen mit Alkohol selbst 20 Gäste schnell nicht mehr an die Abstands- und Hygieneregeln hielten.

Hauptziel: Risiken vermeiden

Es gehe darum, Risiken zu vermeiden, sagte Spahn. Das gelte auch für das Fahrgastaufkommen in Bussen und Bahnen. Berufspendler und Schüler sollten fahren können. Um volle Bahnen zu vermeiden, wolle er aber nicht diejenigen in den öffentlichen Verkehrsmitteln, die zum Stadion fahren, erklärte Spahn mit Blick auf die Entscheidung, Fußball-Bundesligaspiele weiter ohne Publikum stattfinden zu lassen.

Den Anstieg der Neuinfektionen nannte Spahn "besorgniserregend". Das Robert Koch-Institut meldete am 17. August 561 Neuinfektionen gegenüber dem Vortag. Allerdings melden nicht alle Gesundheitsämter über das Wochenende neue Fälle. Die Zahl der Neuinfektionen hatte in der vergangenen Woche auch schon bei weit mehr als 1.000 gelegen. Seit Beginn der Pandemie haben sich in Deutschland 224.014 Menschen nachweislich mit dem Coronavirus infiziert.

Fast flächendeckend mehr Infektionen

Der Anstieg der Infektionszahlen hänge nicht nur mit Reiserückkehrern zusammen, sagte Spahn. Auch in Deutschland selbst habe das Ausbruchsgeschehen nahezu überall zugenommen. Es gebe fast keinen Landkreis mehr, in dem es in den vergangenen sieben Tagen keine Neuinfektion gegeben habe, sagte der Minister.

Spahn verteidigte erneut, dass die Corona-Tests für Reiserückkehrer kostenlos sind. Möglichst viele sollten sich dem Test unterziehen. Wenn sie bezahlt werden müssten, setze das den Anreiz, sich den Tests zu entziehen, sagte er. Zudem entspräche das nicht der Logik des solidarischen Systems in Deutschland. Die Frage sei dann auch, ob jemand, der sich den Skiurlaub leisten könne, die Folgen des Beinbruchs selbst zahlen müsse, sagte Spahn.

Während Spahn eine Debatte um mögliche erneute Beschränkungen von Veranstaltungen anregte, legten Forscher dagegen für einen Bereich sogar neue Lockerungen an. Forscher der Berliner Charité halten voll besetzte Säle bei Klassikkonzerten und Opervorstellungen für möglich, wenn die Besucher einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Unter dieser Maßgabe "ist eine Vollbesetzung der Sitzplätze möglich", heißt es in einer am 17. August in Berlin veröffentlichten "Stellungnahme zum Publikumsbetrieb von Konzert- und Opernhäusern während der Covid-19 Pandemie" der Charité Institute für Sozialmedizin und Epidemiologie sowie für Hygiene und Umweltmedizin.

Einen Tag später ruderte die wieder Charité zurück. Das Papier sei nicht abgestimmt gewesen und gebe nicht die Posotion des Vorstandes wieder. Es sei kein Handlungsvorschlag, sondern nur eine Gesprächsgrundlage, hieß es.

Diakonie rügt Minister

Der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, übte am 17. August scharfe Kritik an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Die in der Corona-Krise zugesagte einmalige Sonderprämie für Pflegekräfte zählte er zu Spahns "größten Fehltritten". "Diese Prämie ging nur an einige wenige, während andere in die Röhre gucken mussten, die in den Einrichtungen genauso hart gearbeitet haben", sagte Lilie. Das werde in der Branche als ungerecht empfunden.

Lilie forderte, "noch einmal neu darüber nachdenken, wie man eine echte Anerkennung hinbekommt. Dazu gehört aber mehr als ein einmaliger Bonus", sagte der Chef des evangelischen Wohlfahrtsverbandes. Notwendig sei eine systematische Aufwertung der Pflegeberufe.

Corinna Buschow, Markus Jantzer