sozial-Branche

Studie

Junge Flüchtlinge anfällig für psychische Erkrankungen



Junge Flüchtlinge leiden einer Studie zufolge nach ihrer Ankunft in Deutschland sowohl unter traumatischen Fluchterfahrungen als auch unter psychisch belastenden Lebensumständen. Die Folge seien eine verminderte Leistungsfähigkeit und Verhaltensauffälligkeiten, die sich später auch in aggressivem und kriminellem Verhalten äußern können, teilten die Autoren am 19. Juni in Göttingen mit.

Für Ihre Untersuchung hatten Göttinger Forscher vom Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin und von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Interviews mit 133 Geflüchteten geführt.

Im Durchschnitt seien die Teilnehmer 22 Jahre alt gewesen, viele von ihnen seien als unbegleitete Minderjährige nach Deutschland gekommen. Etwa die Hälfte der Teilnehmer habe traumatische Erlebnisse vor und während der Flucht erlebt, hieß es. Ein Viertel sei körperlich und sexuell missbraucht worden.

Zahl der Risikofaktoren ist entscheidend

Je mehr Risikofaktoren eine Person ausgesetzt war, desto stärker sei ihre Leistungsfähigkeit bereits vermindert und desto stärker zeigten sie psychische Auffälligkeiten, hieß es. Mehr als 95 Prozent der Flüchtlinge seien von weiteren belastenden Lebensereignissen betroffen. Neben den traumatischen Erlebnissen der Flucht begünstige der Konsum von Cannabis und Alkohol und das Leben in Großstädten die psychischen Störungen.

Selbst enge und stabile menschliche Beziehungen könnten die jungen Migranten nicht vor den negativen Auswirkungen schützen, hieß es. So habe die Begleitung von Familie oder Freunden den aktuellen psychischen Zustand nicht beeinflusst. Die Autoren vermuteten daher, dass soziale Unterstützung nur einen schwachen schützenden Effekt habe.

Da jeder weitere Risikofaktor die Wahrscheinlichkeit für späteres aggressives Verhalten, Kriminalität und psychische Störungen erhöhe, dürften nicht noch mehr belastende Faktoren angehäuft werden, warnte Neurologie-Professorin Hannelore Ehrenreich. So sollten Geflüchtete engmaschig medizinisch und psychologisch begleitet werden. Auch müsste ihnen ohne Verzögerung Zugang zu Arbeit und Sprachkursen vermittelt werden. "Dies könnte ihnen dabei helfen, sich aus beengten Wohnverhältnissen zu befreien, wo sie mit Langeweile, Gewalt und Drogen konfrontiert sind."