

Frankfurt a.M. (epd). Klatschen allein reicht überhaupt nicht: Mehr als 1,2 Millionen Menschen arbeiten in deutschen Krankenhäusern, 700.000 in Pflegeheimen. "Die Beschäftigten wissen ganz genau, was sie brauchen, um ihren Job professionell und sicher ausüben zu können", sagt Sylvia Bühler. Das Vorstandsmitglied der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di leitet den Gesundheitsfachbereich. Wie viele Beschäftigte, die sie vertritt, steht die Gewerkschafterin unter Dauerstrom.
Denn auch wenn die große Welle an Corona-Patienten bisher nicht kam: In Kliniken und Pflegeeinrichtungen herrscht die Krise. Und es fehlt an vielem: an Schutzausrüstung, Covid-19-Tests und ausreichend Ruhezeiten. "Viele scheinen zu vergessen, dass Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen keine übernatürlichen Kräfte haben", sagt Bühler.
Auch die Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) schlägt aus Sorge um die psychische Gesundheit der Beschäftigten Alarm. In den meisten Kliniken gebe es aller Corona-Hilfsdebatten zum Trotz keinerlei psychologische Hilfsstruktur für das eigene Personal - obwohl dieses oft extreme Situationen erlebe und sich nun auf eine besondere Krise vorbereite. "Die Situation ist dramatisch", sagt DIVI-Generalsekretär Felix Walcher, Direktor der Unfallchirurgie der Uniklinik Magdeburg.
Die Fachgesellschaft hat Empfehlungen zur Mitarbeitergesundheit veröffentlicht, die auch kurzfristig helfen können: abwechseln zwischen emotional belastender und einfacherer Arbeit, Transparenz aktueller Informationen, belastbare Dienstpläne, auf Erholung achten.
Marlen Melzer von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sagte, es brauche außerdem ein langfristiges Umdenken. Pflegende stechen in Sachen Arbeitsbelastung seit Jahrzehnten in jeder Studie heraus. Entsprechend seien sie häufiger krank als andere Berufsgruppen und stiegen vorzeitig aus dem Beruf aus, der stark unter Fachkräftemangel leide. Neben Muskel- und Skeletterkrankungen belasteten die Angestellten das Leiden und Sterben der Patienten und der Umgang mit Angehörigen psychisch, wie die Dresdener Arbeitspsychologin erklärt.
In Corona-Zeiten komme erschwerend hinzu, dass Patienten und ihren Angehörigen die Verschiebung von Behandlungsterminen und Kontaktsperren vermittelt werden müssten.
Auch kurzfristig lasse sich aus arbeitsmedizinischer Sicht einiges verbessern, sagt Melzer, die dazu einen Leitfaden für Krankenhausstationen entwickelt hat. Zum Beispiel durch verbindliche Pausen - derzeit alles andere als selbstverständlich, zeigten Branchenbefragungen: "Häufig werden Pausen nicht geplant, sondern den Pflegenden selbst überlassen." Dadurch verschieben und verkürzen sie sich oft oder fallen aus - obwohl es wissenschaftlich unstrittig ist, dass Pausen vor Fehlern schützen und damit zur Sicherheit von Patienten beitragen.
"Fünf Minuten Pause jede Stunde zum Händewaschen und zum Kollegengespräch verbessern Informationsfluss und Hygiene", sagt Melzer. Dafür brauche es eine "Pausenkultur" - die der Branche jedoch fehle. Wirkungsvoll sei auch ein Pausenplan für die gesetzlich vorgegebene Ruhepause: "Dann gibt es während der Pause eine Vertretung. Kollegen können diese gemeinsam machen, ohne im Hinterkopf zu haben, dass jemand unterversorgt ist."
Ver.di will nach der Krise dafür sorgen, dass die Relevanz der Berufe nicht in Vergessenheit gerät. Auch Arbeitsmedizinerin Melzer hofft, dass die erhöhte Aufmerksamkeit in der Krise die Arbeitsbedingungen verändert.