Erfurt (epd). Bei einem öffentlichen Arbeitgeber angestellte schwerbehinderte Menschen können wegen ihrer Einschränkungen keine andere als im Arbeitsvertrag festgelegte Beschäftigung einfordern. Der Arbeitgeber kann allenfalls von sich aus dem Wunsch des Beschäftigten nach einer Vertragsanpassung nachkommen, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am 21. April veröffentlichten Urteil.
Laufe aber bereits ein öffentliches Ausschreibungsverfahren für die gewünchte Stelle, hänge die Stellenbesetzung ausschließlich vom Ausgang des Bewerbungsverfahrens ab, entschieden die Erfurter Richter.
Geklagt hatte eine angestellte, schwerbehinderte Lehrerin aus Thüringen, die im September 2012 arbeitsunfähig erkrankt war. Die Wiedereingliederung an ihren Arbeitsplatz scheiterte. Der Amtsärztliche Dienst befand, dass die Frau voraussichtlich nicht mehr als Lehrerin arbeiten könne und nur für leichte Tätigkeiten "ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastung" geeignet sei.
Als das Land Thüringen zehn Stellen als "Lehrer-Kulturagent/Kulturagentin" ausschrieb, verlangte die Lehrerin, dass der Arbeitgeber ihr die Stelle noch vor Abschluss des Bewerbungsverfahrens zuweist. Als öffentlicher Arbeitgeber sei er verpflichtet, sie leidens- und behinderungsgerecht zu beschäftigen. Eine Stelle als Lehrer-Kulturagentin sei für sie geeignet.
Das BAG wies die Klage auf den Beschäftigungsanspruch jedoch ab. Zwar sei der Arbeitgeber zur Rücksichtnahme verpflichtet, wenn die Arbeitnehmerin ihre arbeitsvertragliche Leistung nicht mehr erbringen könne. Es gebe jedoch keine Verpflichtung, ihr eine vertragsfremde Beschäftigung anzubieten.
Sei eine Stelle ausgeschrieben, müsse das Ergebnis des Bewerbungsverfahrens abgewartet werden. Denn jeder Bewerber und jede Bewerberin habe ein Recht auf "chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren". Die vorherige Vergabe der ausgeschriebenen Stelle an die schwerbehinderte Klägerin würde das Recht auf Chancengleichheit unterlaufen.
Az.: 9 AZR 78/19