Karlsruhe (epd). Bei der Einrichtung einer Betreuung darf sich ein Gericht nicht pauschal auf ein gerichtlich angeordnetes Sachverständigengutachten verlassen. Legt die betroffene Person im Streit um die Betreuung eine nicht beachtete Stellungnahme einer behandelnden Psychiaterin vor, die im offenen Widerspruch zu dem eingeholten Sachverständigengutachten steht, ist die gerichtlich angeordnete Betreuung fehlerhaft, entschied der Bundesgerichtshof in Karlsruhe in einem am 22. April veröffentlichten Beschluss.
In dem Rechtsstreit war die heute 84-Jährige zu Hause gestürzt. Die behandelnde unfallchirurgische Klinik regte eine Betreuung an. Das Amtsgericht Dachau holte hierfür ein Sachverständigengutachten ein und bestellte einen Berufsbetreuer, der die Angelegenheiten der Frau regeln sollte. Der Gutachter hatte bei der alten Frau eine organische Persönlichkeits- und Wesensveränderung festgestellt und eine Betreuung empfohlen.
Die Frau hielt dies für unnötig. Da sie auch in einer geriatrischen Klinik behandelt wurde, verwies sie auf den Entlassungsbericht und die darin enthaltene Stellungnahme einer Psychiaterin. Diese hatte der Frau bescheinigt, dass sie in ihre häuslichen Umgebung entlassen werden könne.
Das Amtsgericht verließ sich jedoch allein auf die gutachterliche Stellungnahme. Dies sei aber rechtsfehlerhaft, befand nun der BGH. Das Gutachten stehe in offenem Widerspruch zu der fachärztlichen psychiatrischen Stellungnahme. Die Klinik habe zudem die Frau umfassender untersucht als der Sachverständige, so dass über die Betreuungsbedürftigkeit erneut und mit Einholung eines weiteren Gutachtens entschieden werden müsse.
Az.: XII ZB 443/19